21. Sonntag im Jahreskreis |23.08.2020
Meditation
Nichts fehlt mir wirklich!
Warum ist das aufmerksame Wiederholen eines altbekannten Gebets so hilfreich dafür, sein Herz auf das Reich Gottes auszurichten? Der Grund dafür ist, dass die Worte eines solchen Gebets über die Kraft verfügen, unsere inneren Ängste in inneren Frieden umzuwandeln.
Ich betete einmal lange Zeit die Worte: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen“ (Psalm 23,1–3). Diese Worte betete ich morgens eine halbe Stunde lang, saß dabei still auf meinem Stuhl und versuchte meine Gedanken nur auf das zu konzentrieren, was ich das sprach. Ich betete sie auch während der vielen kurzen Zwischenzeiten meines Alltags, in denen ich von einer Stelle zur andern ging, und ich betete sie sogar während meiner Routinearbeiten.
Diese Worte stehen in starkem Kontrast zu den Realitäten des Lebens. Ich möchte vieles; ich sehe meistens verkehrsreiche Straßen und hässliche Einkaufszentren. Und wenn es gelegentlich Wasser gibt, an die ich mich setzen kann, dann sind sie meistens verschmutzt.
Aber wenn ich trotzdem weiterhin spreche „Der Herr ist mein Hirte“ und Gottes Hirtenliebe weiter in mein Herz hereinlasse, kommt mir deutlicher zu Bewusstsein, dass die verkehrsreichen Straßen, die hässlichen Einkaufszentren und die verschmutzten Gewässer nicht wirklich sagen, wer ich bin. Ich gehöre nicht den Fürsten und Gewalten, die die Welt beherrschen, sondern dem Guten Hirten, der die Seinen kennt und den die Seinen kennen. In der Gegenwart meines Herrn und Hirten brauche ich wirklich nichts weiter. Es wird mir tatsächlich alles andere dazugegeben, was mein Herz begehrt, und er wird mich aus den finsteren Gruben meiner Depression herausziehen.
Es tut gut, zu wissen, dass Millionen von Menschen durch viele Jahrhunderte hindurch diese gleichen Worte gebetet und Ermutigung und Trost in ihnen gefunden haben. Wenn ich sie spreche, bin ich umgeben von zahllosen Frauen und Männern, den ganz Nahen und den weit Entfernten, den jetzt Lebenden und den kürzlich oder vor langer Zeit Gestorbenen, und ich weiß: Noch lange, nachdem ich diese Welt verlassen habe, werden diese gleichen Worte immer wieder gebetet werden. Je tiefer diese Worte in meine Wesensmitte eindringen, desto besser verstehe ich, was es heißt, in der Welt, aber nich von der Welt zu sein.
Aus: Henri J. M. Nouwen, höre auf die Stimme, die Liebe ist, Herder.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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