31. Sonntag im Jahreskreis | 3. November 2024
Meditation

Foto: Scheucher

Der Ewig Bleibende

Ist neu gleichbedeutend mit besser? Die Werbebranche will uns das weismachen. Wenn wir aber lang genug warten, dann wird die Gegenwart – in der Erinnerung romantisch verklärt – zur guten, alten Zeit. Wonach wir uns aber im tiefsten Herzen sehnen, das hängt nicht von alt oder neu ab. Wenn unsere Sehnsucht von alt oder neu spricht, dann meint sie etwas, das über beides hinausgeht: das Bleibende. Denn „alle Lust will Ewigkeit –, – will tiefe, tiefe Ewigkeit!“, sagt Nietzsche.

Bang verlangen wir nach einem Halte,
wir zu Jungen manchmal für das Alte
und zu alt für das, was niemals war.

Den Halt, den wir, mitgerissen vom Laufschritt der Zeit, verzweifelt suchen, finden wir nur im Ewig Bleibenden.

Wir sind die Treibenden.
Aber den Schritt der Zeit,
nehmt ihn als Kleinigkeit
im immer Bleibenden.

Zum Ewig Bleibenden betet der Dichter:
Ich lese es heraus aus deinem Wort,
aus der Geschichte der Gebärden,
mit welchen deine Hände um das Werden
sich ründeten, begrenzend, warm und weise.
Du sagtest leben laut und sterben leise
und wiederholtest immer wieder: Sein.

Dieses Sein kann ich erahnen, wenn ich mich dem Ewig Bleibenden anvertraue, in dessen Händen mein Sein ruht, ob ich lebe oder sterbe. Dieses Sich-Anvertrauen heißt beten. Wenn wir auf ein Schachbrett schauen, können wir entweder schwarze Quadrate auf weißem Grund sehen oder weiße auf schwarzem Grund. Beten heißt, so auf den Doppelbereich der Wirklichkeit zu schauen, dass die Augen des Herzens, die gewohnt sind, nur das Vergängliche zu sehen, jetzt auf das Ewig Bleibende achten und erleichtert darin Ruhe finden.

Wir sollten nicht erwarten, im Gebet das EWIG BLEIBENDE zu sehen. Sichtbar ist nur das Vergängliche. Aber wir können das EWIG BLEIBENDE auf uns wirken lassen.
David Steindl-Rast,

aus: 99 Namen Gottes, Tyrolia, 2019.
Gedicht-Zitate von R. M. Rilke

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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