20. Sonntag im Jahreskreis | 16.08.2020
Kommentar

Grenzüberschreitungen
Als Maßnahme gegen die Corona-Pandemie haben die Grenzen zwischen Ländern und Menschen größere Bedeutung bekommen. Es geht darum, die Ausbreitung des Virus einzugrenzen. Darunter leiden wir gerade jetzt in der Urlaubszeit, denn das Reisen in andere Länder, das Überschreiten einer Grenze hilft uns auch, Ruhe zu finden und Abstand zum oft hektischen und belastenden Alltag zu gewinnen.
Abstand gewinnen will offenbar auch Jesus, als er sich nach einer mühsamen Debatte mit uneinsichtigen Schriftgelehrten in ein Gebiet jenseits der Grenzen Galiläas zurückzieht. Und so erlebt er das Verhalten der kanaanäischen Frau als Grenzüberschreitung, als Belästigung und Missachtung seines Bedürfnisses nach Ruhe. Er fühlt sich für sie nicht zuständig.
Seine abweisende Reaktion ist sehr irritierend. Wie kann er diese Mutter, die um das Wohl ihrer Tochter besorgt ist, so beleidigen und abwimmeln? Das passt nur schwer in unser Bild von Jesus, den wir uns als einen Menschen vorstellen, der immer gütig, ausgeglichen und mit sich im Einklang ist, der jederzeit die Not der Menschen wahrnimmt und für alle da ist. Anscheinend hat auch Jesus Situationen der Überforderung erlebt, in denen er an die Grenzen seiner Kräfte gelangt ist und unangemessen reagiert hat.
Die Beharrlichkeit und das unerschütterliche Vertrauen der Kanaanäerin bewegt nun Jesus, seine eigenen Grenzen weiter zu ziehen. Ihr Beispiel zeigt uns: Nicht die Herkunft oder Religion ist für das Heil des Menschen entscheidend, sondern allein der Glaube. Das Wunder der Heilung geschieht in uns selbst.

Alfred Jokesch

Autor:

Florian Heckel aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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