Franz Küberl zum 70. Geburtstag | Teil 4
Zukunft muss nach Besserem schmecken
Wir haben enorme Parallelwelten, die sich nicht miteinander verständigen können. Die einen stürmen Urlaubsdestinationen und raufen notfalls um Plätze, die anderen drängen sich vor Lebensmittelausgabestellen, um ein Mindestmaß an Heute zu erhaschen. Die Armen wissen zwar, wie die Reichen leben, die Reichen haben aber meist keine Ahnung von den Dramen der Armen.
Wann schmeckt Zukunft? Wohl nur dann, wenn es gelingt, möglichst allen „bessere“ Zukunftschancen zu eröffnen. Das geht nur zweidimensional: materiell, weil man überleben können muss, und immateriell, weil man leben können will. Jede und jeder von uns braucht ein Grundmaß an mitmenschlicher Verwurzelung und Chance auf Zukunft. Jede und jeder von uns braucht Anerkennung durch andere – sozusagen fundamentales Recht auf Leben.
Wie können wir aufbrechen und uns der Zukunft nähern? Dazu braucht es Problemüberwindung statt Zukunftsverweigerung. Zur Zeit habe ich den Eindruck, dass sich erstaunlich viele Menschen von der Gestaltung der Zukunft der Menschheitsgeschichte ausklinken. Es grassiert die Angst, dass es ohnehin nicht mehr besser, sondern nur schlechter werden könne. Ein Bedrohungsszenario jagt das andere: Digitalisierung, Klimawandel, die Spannung zwischen Reich und Arm, Migration … Man meint, dass Zukunft, noch dazu mitgestaltbare Zukunft, etwas ist, was nicht erreicht werden kann, weil man die Kapazität des Mitkommens und Problembewältigens nicht in sich fühlt. Es fehlt die Vorstellungskraft, wie man eine Welt, in der die nächste Generation vernünftige Lebensvoraussetzungen vorfindet, gestalten bzw. diese vorbereiten kann.
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga hat in seinem Buch „Herbst des Mittelalters“, das tief in die Seelen der Menschen jener Zeit blickt, geschrieben: „Nichts trägt zu einer Stimmung von Lebensangst und Verzweiflung über die kommenden Zeiten so stark bei wie die Abwesenheit eines festen Willens aller, die Welt selbst besser und glücklicher zu machen.“
Glaube bedeutet immer Zukunft. Daher wäre die Kirche ohne den Geschmack der Zukunft und ohne Andockmöglichkeit der Verheißungen Christi ans Leben der Menschen chancenlos, dabei mitzuhelfen, Zukunft begehbar zu machen. Christsein ist nicht nur das Sonntagsgewand für liturgische Feiern, nein, es ist das Arbeitsgewand, damit man den Anspruch, Zukunft in guten und in schlechten Zeiten mitzugestalten, in Tatkraft umsetzen kann.
„Bei euch schmeckt man die Zukunft nicht“, so begründete eine oststeirische Bäuerin in den 1990er-Jahren, warum ihre Tochter nicht mehr in der Pfarre auftauchte. In diesem Buch begibt sich Franz Küberl auf eine Spurensuche zu möglichen Antworten auf diese Frage.
Franz Küberl. Zukunft muss nach Besserem
schmecken. Tyrolia Verlag, Auszüge: Seiten 80–84.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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