Lebensjahr 2008 - Was nun? | Teil 04
Wenn der Kühlschrank immer leerer wird

Bedrohung. Wenn man in Schulden steckt, ist jeder Zahlschein ein Schritt tiefer in die Ausweglosigkeit. | Foto: Bilderbox
  • Bedrohung. Wenn man in Schulden steckt, ist jeder Zahlschein ein Schritt tiefer in die Ausweglosigkeit.
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Ein Kredit sorgt dafür, dass Träume Wirklichkeit werden. Er erlaubt einem Familienvater, sich ein Häuschen im Grünen zu leisten. Er hilft einem Tischler, seinen eigenen Betrieb aufzumachen. Er gibt einem Arbeitslosen die Chance, ein Auto zu kaufen und somit einen Job anzunehmen. Ein Kredit kann aber auch zum Albtraum werden – wenn Gehalt, Pension, Ersparnisse, Erbgeschenke oder Arbeitslosengeld zum Zurückzahlen nicht mehr reichen. Und nie reichen werden, egal, wie lange man noch lebt.

Das Schicksal ist weit verbreitet: Die Verschuldung privater Haushalte ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Eine wachsende Zahl von Österreichern kann sich auf ihr Einkommen nicht mehr verlassen. Zu vielen Menschen gelingt es nicht, mit der gewachsenen Unsicherheit umzugehen: befristete Jobs, schwankende Löhne, brüchige Familien. Wenn plötzlich Einkommen wegbricht, lassen sich die Kreditraten nicht mehr begleichen, auch wenn sie vorsichtig kalkuliert sind. Die Schulden wachsen immer weiter.

Freude verloren.
„Dann verliert man die Freude an der Arbeit, am Leben, einfach an allem. Irgendwann sieht man kein Licht mehr hinter dem ganzen Schuldenberg“, berichtet Herr H., 27 Jahre alt. „Ich habe sogar an Suizid gedacht, als ich nicht einmal mehr meine Zinsen zurückzahlen konnte und gepfändet wurde“, fügt er später hinzu. Das Gefühl, nie mehr aus dem Schlamassel herauszukommen, brachte ihn zu später nicht mehr nachvollziehbaren Handlungen: „Man wird in so einer Situation mit Briefen überschüttet. Aber du willst sie nicht mehr aufmachen, wirfst sie in die Schreibtischlade rein und schmeißt sie dann, ohne zu öffnen, einfach weg“, schildert Herr H. seinen monatelangen Verdrängungskampf. Und irgendwann erzählt er auch von seinem Bankraub – der scheinbare Ausweg aus einer hoffnungslosen Situation. Der brachte letztendlich nur noch mehr Unheil: neun Monate Gefängnis. „Dass das ein Blödsinn war, siehst du in diesem Moment nicht, wennst daheim sitzt, der Kühlschrank immer leerer wird und du die letzte Zigarette rauchst“, bemerkt der heute 27-Jährige. Nach der Entlassung war der ganze Freundeskreis verschwunden – und der Alkohol monatelang der einzige Seelentröster.

Jugendtraum.
Begonnen hat der Teufelskreis mit einem Jugendtraum: Aus dem Elternhaus auszuziehen und sich eine eigene Wohnung einzurichten, war sein großer Wunsch mit 16. Den erfüllte er sich mit Hilfe eines 100.000-Schilling-Kredits. „Aber wennst einmal in Schulden steckst, kommst nicht so einfach heraus“, lautet sein Fazit heute. „Ich habe zwar von Montag bis Sonntag gearbeitet, aber trotzdem ist es sich nicht ausgegangen, die Raten zurückzuzahlen. Darum habe ich das Konto überzogen, und ein nächster Kredit war fällig.“ Dann kam noch ein Autokauf hinzu: „Dazu hat mich mein Vater überredet. Ich kam aus gutem Haus, da brauchte man sowas einfach“, erklärt Herr H. heute. Hinzu kam viel Pech mit Freundinnen: „Ich war immer Alleinverdiener, alles ist an mir hängen geblieben.“ Vieles sei damals schiefgelaufen, erinnert er sich. „Es hilft aber nichts, anderen die Schuld an der Misere zu geben.“ Den Weg aus der Sackgasse gezeigt habe ihm dann die Schuldnerberatung: „Die haben mir Motivation und Antrieb gegeben. Seither setze ich mir wieder Ziele.“

Nie wieder.
Heute arbeitet Herr H. als Monteur, und er dreht jeden Cent dreimal um. Stets vergleicht er die Angebote in den Supermärkten und weiß mittlerweile, dass man sehr billig leben kann – wenn man muss. Sobald er seinen Lohn bekommt, zahlt er die Zahlscheine ein. Und er ist stolz, wenn ihm am Ende des Monats zehn Euro, manchmal auch 50 Euro übrig bleiben. Zeitweise habe er „Durchhänger“, berichtet er. Aber er weiß, dass er mit seinen 27 Jahren noch viel erreichen kann im Leben. Irgendwann möchte er sich auch wieder ein eigenes Auto leisten. Das ist heute auch Voraussetzung für einen Job: „Hätte ich nicht eine Freundin, die mir das Auto borgt, wäre ich arbeitslos und könnte meine Schulden nicht zurückzahlen.“

Heute rät er jedem vom Schulden-Machen ab: „Wenn ich neu anfangen könnte, würde ich nie mehr einen Kredit aufnehmen und mein Konto überziehen.“ Und nachdenklich fügt er hinzu: „Das kann so viel zerstören.“

Britta Breser

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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