Reformationsjubiläum. Serie zum Lutherjahr 2017 | Teil 05
Selbstverständlich Pfarrerin
Eine katholische Kirche in der Umgebung von Graz. Vorne eine Frau im schwarzen Talar, sie leitet als evangelische Pfarrerin das evangelische Begräbnis. In ökumenischer Gastlichkeit ist es üblich, dass auch evangelische Begräbnisse in der römisch-katholischen Kirche stattfinden. Alles geht seinen gewohnten Gang, die Pfarrerin schreitet hinter der Blaskapelle durch den Ort zum Friedhof. Eine Selbstverständlichkeit im Jahr 2017.
Etwas sehr Ungewöhnliches im Jahr 1980. Eine katholische Kirche in der Umgebung von Wien. Vorne eine Frau im schwarzen Talar, sie leitet als evangelische Pfarrerin das evangelische Begräbnis. In ökumenischer Gastlichkeit ist es üblich, dass auch evangelische Verabschiedungen in der römisch-katholischen Kirche stattfinden. Doch diesmal ist alles anders. Eine Frau – als Pfarrerin, gibt’s das denn? Nichts geht seinen gewohnten Gang. Darf sie vorne beim Altar stehen? Gehen wir durch den Ort zum Friedhof wie sonst auch? Viel Verunsicherung ist im Vorfeld zu spüren. Danach ein Aufatmen. Eigentlich war alles ganz normal. Nein, sie hat es sogar besonders persönlich und ansprechend gemacht. Eine Pfarrerin – warum eigentlich nicht!
Ich habe beides erlebt und kann selber manchmal nicht glauben, wie viel sich in diesen 37 Jahren verändert hat. In der eigenen Kirche und auch im römisch-katholischen Umfeld. Wir Pfarrerinnen sind eine Selbstverständlichkeit geworden. Oft sogar das Aushängeschild und Markenzeichen der evangelischen Kirchen.
Das war nicht immer so. Als ich 1973 zu studieren begann, war die Ordination von Frauen zum Pfarramt zwar möglich, aber es gab den „weiblichen Zölibat“: Mit der Eheschließung mussten Pfarrerinnen ihr Amt niederlegen. Auch evangelische Männer konnten sich nicht vorstellen, dass Frauen mit Kindern eine Gemeinde leiten. Theologische Gründe dafür gab es nie, es waren die traditionellen Familienvorstellungen, die die Synode im Jahr 1965 bewogen, die Ordination zum geistlichen Amt für Frauen zwar zu ermöglichen – allerdings nur für unverheiratete.
Wir alle sind Kinder unserer jeweiligen Zeit, Frauen wie Männer. Für die Reformatoren war es nicht vorstellbar, dass Frauen Pfarrerinnen werden, so wie Frauen Universitäten verschlossen waren. Aber mit der Reformation hat ein Prozess begonnen, der die Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen ermöglicht hat. Leider mussten die Frauenrechte auch gegen den Widerstand der evangelischen Kirchen erkämpft werden, aber schließlich haben diese sie doch anerkannt und verankert. Es war ein langer Prozess bis dorthin und nicht einfach, verbunden mit Kränkungen und Verletzungen. So wurden zum Beispiel in Österreich während des Zweiten Weltkrieges zwei Theologinnen ordiniert. Eine davon tat ihren Dienst in den hintersten Bergtälern Tirols! Als die Männer nach Kriegsende wieder zurückkamen, wurde ihnen diese Ordination wieder abgesprochen.
Doch unsere Kirche ist lernfähig, reformierbar. So hat die Synode 1980 alle Benachteiligungen aufgehoben. Und das, obwohl damals kaum Frauen in der Synode, dem „Kirchenparlament“, vertreten waren.
Heute sind wir gleichgestellt. Anerkannt und sehr geschätzt. Mit Schwächen und Stärken, wie die männlichen Kollegen auch. Gott sei Dank!
Ulrike Frank-Schlamberger
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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