Quelle des Segens - Schritte zu einer lebendigen Liturgie | Teil 11
Schönheit und Liebe
Das Größte aber ist die Liebe, hat der Apostel Paulus im 13. Kapitel seines ersten Korintherbriefes gesagt.
Ein Apostel ist in aller Regel kein Dichter. In der Zuwendung zum Thema Liebe aber hat Paulus eine Kraft und Schönheit der Sprache erreicht, die ihn – wie manchmal auch sonst – zum Dichter werden ließ.
Wenn für den Christen die Liebe das Größte ist, das ein Mensch auf Gott und auf Mitmenschen hin vollbringen kann, dann gilt das besonders auch für die Liturgie, den Gottesdienst. Dass Liturgie nicht prächtig sein muss, aber schön sein soll, wird kaum jemand bestreiten. Gegenüber aller Schönheit in der Kirche gilt aber der ethische Vorbehalt, den Paulus in seinem so genannten „Hohelied der Liebe“ mit den Worten ausgedrückt hat:
„Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte
und alle Geheimnisse wüsste
und alle Erkenntnis hätte;
wenn ich alle Glaubenskraft besäße
und Berge damit versetzen könnte,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich nichts.“(1 Kor 13,1–2)
Liturgie ist ihrem Wesen nach eine liebende Selbstüberschreitung der feiernden Gemeinde und des einzelnen Glaubenden in ihr auf Gott hin in Glaube, Hoffnung und Liebe. Und sie ist zugleich auch eine Selbstüberschreitung der einzelnen Feiernden zu den anderen Menschen hin, die hier feiern. Und darüber hinaus ist Liturgie prinzipiell offen hin zu allen Mitchristen weltweit und da-rüber hinaus zu allen Mitmenschen überhaupt. Das gilt besonders für die Feier der Eucharistie. Die Kirche tritt in dieser Feier in den Lebensraum der göttlichen Dreifaltigkeit ein und sagt gemeinsam mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus Gott, dem Vater, im Heiligen Geist Dank; Eucharistie ist ein strömendes Lob für das Werk der Schöpfung und Erlösung und ist im Danksagen also eine liebende Selbstüberschreitung auf Gott hin, von dem wir glauben, dass er der Ursprung der Welt und das Ziel ihrer Geschichte ist.
Wenn die Kirche Liturgie feiert, dann tut sie dies immer auch stellvertretend für die vielen Christen, die nicht mitfeiern können oder nicht mitfeiern wollen. Das gilt schon für das Stundengebet, es gilt aber besonders für die Feier der Eucharistie, der heiligen Messe, gleichviel ob daran viele oder wenige Christen teilnehmen. Sie sind dabei immer verbunden mit der ganzen Christenheit am Ort, im Land und weltweit, und sie tun dies stellvertretend auch für die ganze Menschheit. In einem Gebet bei der Vorbereitung der Gaben Brot und Wein für die Feier des sakramental gegenwärtig werdenden Opfers Christi sagt der Priester in der außerordentlichen Form des römischen Ritus: „Wir bringen Dir, Herr, den Kelch des Heiles dar und flehen Dich, den Allgütigen an: lass ihn uns zum Segen und der ganzen Welt zum Heil wie lieblichen Wohlgeruch emporsteigen.“
Christen feiern, wie im Römischen Messbuch gesagt wird, „pro totius mundi salute“, also „für das Heil der ganzen Welt“. Und so geben sie Gott eine dankbare Antwort auf das Wort, das er durch die Schöpfung der Welt und durch die Erlösung in Jesus Christus einmal gesprochen hat und immer neu spricht.
Dr. Egon Kapellari, Diözesanbischof
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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