Ketzer - Unruhestifter des Glaubens | Teil 08
Marguerite Porete und das Einswerden der Seele mit Gott
Vom Ende der Marguerite Porete weiß man mehr als von ihrem Leben. In den Inquisitionsprotokollen wird sie als „Margarita von Hannonia, genannt Porete“ bezeichnet, die als Begine in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der Grafschaft Hainaut (Hennegau) in Nordfrankreich lebte. Ihr Buch „Le Mirouer des simples âmes“ (Spiegel der einfachen Seelen), vermutlich in den Jahren nach 1290 geschrieben, wurde vom zuständigen Bischof verurteilt und in Valenciennes öffentlich verbrannt.
Der Inquisitionsprozess
Nachdem Marguerite Porete nach der Verurteilung ihres Buchs weiterhin ein Exemplar besaß und daraus vortrug, wurde ein Inquisitionsverfahren gegen sie eingeleitet. Geleitet wurde es vom Generalinquisitor des Königreichs Frankreich, dem Dominikaner Wilhelm von Paris. Marguerite Porete kam dafür 1307 in Haft. Während des Prozesses verweigerte sie einen Widerruf ihrer Lehre und schwieg. 1309 beschloss eine Kommission von 21 Theologen, dass Marguerite Poretes Buch als häretisch zu vernichten sei. Gelesen hatten die Kommissionsmitglieder das Buch nicht, es genügten ihnen Auszüge daraus, um aus dem Textzusammenhang gerissene Aussagen als Ketzerei zu verurteilen.
Der Tod der Verfasserin und die Überlieferung des Buchs
Marguerite Porete wurde zu Pfingsten 1310 als rückfällige Ketzerin verurteilt und dem weltlichen Gericht überstellt. Am 1. Juni 1310 wurde sie in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Alle Exemplare ihres Buchs sollten unter Strafe der Exkommunikation den Dominikanern ausgehändigt werden. Poretes Buch wurde fortan anonym und in lateinischer, mittelenglischer und italienischer Übersetzung überliefert. Jahrhundertelang galt es als Werk eines männlichen Autors.
Ein herausforderndes Werk
Marguerite Poretes Sprache wie ihre theologischen und philosophischen Kenntnisse lassen darauf schließen, dass sie aus der Oberschicht stammte. Sie selbst hatte vor der Veröffentlichung ihres Werks drei namhafte Theologen um Gutachten dazu gebeten. Alle drei äußerten sich sehr positiv. Heute gilt Marguerite Porete als eine der großen mystischen Schriftstellerinnen des 13. Jahrhunderts.
Die Beginen
Marguerite Porete war die erste namentlich genannte Begine, die Opfer der Inquisition wurde. Beginen waren ehelose Frauen, die den christlichen Glauben lebten, ohne klösterliche Regeln anzunehmen. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt oft durch Lohnarbeit. Ihre Bewegung blühte im 13. Jh. auf, ausgehend von Flandern. Trotz päpstlicher Bewilligung wurden sie bekämpft und – mit Ausnahme von Flandern – im Jahr 1312 verurteilt.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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