Weltrezepte | Teil 06
Kochen ist wie Gottes Liebe teilen
Kaum Verkehr, keine Menschenmassen – nur die Schritte der Besucherinnen und Besucher hallen durch den Eingangsbereich der griechisch-orthodoxen Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit.
Sie befindet sich am Fleischmarkt in der Wiener Innenstadt und liegt wenige Minuten vom Stephansplatz entfernt. Unweit, am Hafnersteig, steht mit der St.-Georgs-Kirche ein weiteres orthodoxes Gotteshaus.
Gemeindeleben. Erzpriester Ioannis Nikolitsis und seine Frau Zografia Pipinou zogen vor rund acht Jahren von Athen nach Wien. Gemeinsam „schupfen“ sie – er als Bischofsvikar und sie als seine Sekretärin, wobei sie auch als Sekretärin für Erzbischof Arsenios Kardamakis arbeitet – die griechisch-orthodoxe Gemeinde in Wien und in Österreich. Sie organisieren das Gemeindeleben, bringen hier die Menschen griechischen Glaubens zusammen.
Stolz erzählen beide von den zwei historischen Gemeinden in Wien, den Gemeinden in Graz, Salzburg, Innsbruck und Kufstein und den Gemeinde-Neugründungen in Klagenfurt und Vorarlberg. 390 Schülerinnen und Schüler lernen in der Griechischen Nationalen Schule am Nachmittag Griechisch. Sie erhalten hier auch Religionsunterricht. Erzpriester Ioannis Nikolitsis wirkt als Religionslehrer. „Sie kocht einfach zauberhaft“, lobt Ioannis seine Frau. Manchmal assistiert er ihr in der Küche.
Fasten. Selbstverständlich hält sie sich an die Gebote in der Fastenzeit – in Summe gilt das Fasten für orthodoxe Christen fast an der Hälfte der Tage eines Jahres. Wieviele Fastengerichte Zografia Pipinou zubereiten kann, vermag sie nicht zu sagen. „An die hundert vielleicht. Ich könnte drei große Kochbücher füllen.“ Sie probiert oft und gerne neue Rezepte aus, experimentiert mit verschiedenem Gemüse und Gewürzen. „Mir fällt immer etwas Neues ein.“
Kochen sei ein Geschenk der Liebe Gottes, mit der man Menschen erreicht. Durch das Essen werde sie an andere weitergegeben. „Wir können so die Liebe Gottes mit anderen teilen“, sagt Zografia. Erzpriester Ioannis Nikolitsis ist ein leidenschaftlicher Sänger, musiziert und spielt gerne Mandoline und Bouzouki, ein traditionelles griechisches Lauteninstrument. „Kochen kann ich aber nicht. Dafür habe ich einfach kein Talent“, sagt Ioannis und lacht dabei verschmitzt. Das überlasse er lieber seiner Frau. Sie ist die kulinarische „Seele“ im Haus. Seine Frau gebe ihm aber auch Kraft und Rückhalt im beruflichen Alltag und inspiriere ihn. Seit rund 20 Jahren sind sie verheiratet.
Ganz besonderen Wert legt Zografia auf die Herkunft und die Qualität der Zutaten für ihre Rezepte. Sie sucht dafür Märkte wie etwa den Karmelitermarkt im 2. Wiener Gemeindebezirk auf. „Dort gibt es alles, was ich brauche“, sagt sie. Nur die Auswahl an Obst und Gemüse sei hierzulande geringer als in Griechenland, meint sie. Meeresfrüchte seien mittlerweile auch in vielen Supermärkten in guter Qualität erhältlich.
Fasten stärkt Zusammenleben. Gläubige der griechischen Orthodoxie fasten öfter und länger als Katholiken: 40 Tage vor Ostern und 40 Tage vor Weihnachten sowie jeden Mittwoch und Freitag; auch an verschiedenen Tagen im Juni sowie in den ersten beiden Augustwochen (vor „Mariä Himmelfahrt“). Sie verzichten auf Fleisch, Fisch und Alkohol; vor Ostern und Weihnachten außerdem auf Speiseöl. Erzpriester Ioannis: „Gott stärkt uns in der Fastenzeit.“ Fasten sei aber keine Diät. Es hat eine tiefe spirituelle Bedeutung.
Gemeinsam an einem Tisch. Zografia kocht fast ausnahmslos mit Olivenöl. Beim Essen reden Griechen über Gott und die Welt. Erzpriester Ioannis: „Oft sitzen wir hier mit der Familie, mit Gästen oder Freunden am Tisch zusammen. Wir essen und diskutieren.“
Christopher Erben
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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