Sehnsucht. Herbstserie 2016 | Teil 01
Kleiner Wirbelwind und absoluter Freudenstrahl
Sehnsucht Freude
Das war wohl die extremste Erfahrung meines Lebens.“ Die starke Verbindung von Schmerz und Freude hatte die 31-jährige Anne Kaufmann vorher noch nie erlebt. Extrem auf ganz andere Art und Weise war lediglich ein Autounfall, bei dem sie Beifahrerin war. „Das Verbindende ist wohl, dem Geschehen völlig ausgeliefert zu sein, in keiner Weise eingreifen zu können.“
Dass eine Geburt so lange dauern kann, war ihr vorher nicht ganz klar. Kurz zusammengefasst: In der Früh zu Hause Blasensprung, mit der Rettung ins Spital, die Wehen dauerten den ganzen Tag. Erst kurz nach 23 Uhr kam Sohn Matteo auf die Welt. „Es waren die schlimmsten Schmerzen meines Lebens, ich habe ziemlich viel geschrien.“ Danach schlug die Stimmung um: „Für die Erfahrung, das Kind das erste Mal zu sehen, gibt es keine Worte. Es ist ein Wunder. Die Erleichterung darüber, dass es ein gesunder Mensch ist mit Händchen und Füßen, ist das Schönste.“ Natürlich sehe man vorher schon auf dem Ultraschall, wie der Kleine am Finger nuckelt, aber wenn er dann da ist ...
Lebenspartner und Vater Eduard weinte vor Rührung, Anne selbst war nicht nach Weinen zumute, sie war viel zu aufgewühlt und „auf Adrenalin“. Eine junge Mutter im Bett neben ihr musste erfahren, dass ihr Kind an Down-Syndrom litt, erinnert sie sich. „Da begriff ich, wie nah Freude und Leid nebeneinander liegen können.“
Mittlerweile ist es für die junge Mutter „pure Lebensfreude, zu erleben, wenn Matteo etwas zum ersten Mal wahrnimmt“. Als er zum ersten Mal eine Fliege entdeckte, war er ganz konzentriert und fasziniert. „Für mich ist ein Insekt einfach etwas Lästiges, das mich ärgert, aber ihn hat das so gefreut.“ Mit ihm etwas neu zu erleben und zu sehen, wie stark und spontan Kinder Freude erleben können, ist unglaublich. Nachts keinen Schlaf zu finden allerdings nicht. Die Leichtigkeit von früher ist nicht mehr da, denn immer für ihn dazusein, dafür zu sorgen, dass er alles hat, was er braucht, bedeutet auch eine Last.
Der kleine Wirbelwind hat auch die beinahe fertige Diplomarbeit der Psychologiestudentin erst einmal in den Hintergrund treten lassen. Vieles hat sich verflüchtigt, was früher wichtig war. Zeit für sich zu haben, ein Buch zu lesen, Musik zu hören oder einfach auszugehen, um Freunde zu treffen.
Wenn am Abend der Papa nach Hause kommt, beginnt der Kleine zu strahlen, sobald er den Schlüssel im Schloss hört, dann ist die Papi-Zeit: Spielen, baden und ins Bett bringen gehören zu seinen Aufgaben, und „ich kann einmal auspannen“.
Am 27. November wird Matteo ein Jahr alt. Momentan faszinieren ihn die Schalter, Geräusche und Lichter des Geschirrspülers und der Waschmaschine. Immer wieder ein Grund für Konflikte zwischen Mama und dem Junior. „Ständig muss ich ihm erklären, dass er da nicht hingehen soll.“ Dann sei er zwar zornig, aber sobald er etwas entdeckt, was spannend sein könnte, kommt wieder diese Freude, die Mama begeistert. Von einem Moment auf den anderen. Dann lacht und strahlt er wieder.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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