Zeitdiagnose 2019 | Teil 01
Klage, Kummer, Karfreitag
Aus dem Tag des „Klagens“ und des „Kummers“, so die sprachgeschichtliche althochdeutsche Wurzel für „kara“ am Karfreitag, wurde nach der erfolgreichen Klage eines konfessionslosen Arbeitnehmers, der sich gegenüber einem evangelischen Kollegen diskriminiert gefühlt hat, ein veritabler Kummer für die österreichische Innenpolitik. Immerhin gilt es nun bis zum 19. April eine Regelung zu finden, die rechtlich hält, gesellschaftlich akzeptabel und politisch praktikabel ist.
Wie sehr dieses Thema die Öffentlichkeit berührt, zeigt seine mediale Präsenz. Die „Kleine Zeitung“ beispielsweise veröffentlichte zu dieser „Frage der Woche“ gleich drei Gastbeiträge: Dem Soziologen Manfred Prisching am 26. Jänner folgten am Tag darauf die Theologen Bernhard Körner (katholisch) und Ulrich Körtner (evangelisch). Gemeinsamer Tenor: eine Lösung, wie künftig mit dem Karfreitag umzugehen ist, scheint nicht in Sicht zu sein.
Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund, im Regelfall nicht auffallend religionsaffin, sind da schon weniger nachdenklich, sie fordern einen weiteren gesetzlichen Feiertag, sprich zusätzlichen arbeitsfreien Tag. Kosten für den Wirtschaftsstandort Österreich – egal!
Wie immer eine gute Lösung aussehen kann, sie kann nur gefunden werden, wenn es zuvor eine ernsthafte Auseinandersetzung mit zumindest drei grundsätzlicheren Themen gibt:
1. Instrumentalisierte Religion
Nicht erst seit dem „Karfreitag-Urteil“ erleben wir – und auch nicht nur in Österreich – zwei scheinbar einander widersprechende Entwicklungen: Einerseits nimmt Religion im öffentlichen Diskurs an Bedeutung ständig zu („Islam“, „christliches Abendland“, „was ist christlich-sozial“ etc.), andererseits verlieren der Glaube und seine diesen verkündenden Einrichtungen zunehmend an persönlicher Relevanz. Wenn ÖGB-Präsident Wolfgang Kazian mit seinem völlig falschen Verweis auf das Konkordat einen etwaigen Tausch Karfreitag gegen Pfingstmontag ablehnt, plötzlich „religiös“ agitiert, entbehrt das nicht einer gewissen unfreiwilligen Ironie.
2. Kirchliche Feiertage
Unverändert hält sich die Meinung, dass die im Bundesgesetz definierten Feiertage, so sie aus einer religiösen Herkunft abgeleitet werden, kirchliche Feiertage sind. Das ist falsch: Auch wenn einige dieser Tage durch das Konkordat völkerrechtlich geregelt sind, es ist der Staat, der über die Ausgestaltung etwa im arbeitsrechtlichen Sinn entscheidet. Und das ist auch gut so! An dieser Stelle sei daran erinnert, dass es eine Reihe von „kirchlichen Hochfesten“ gibt, die nicht als säkulare Feiertage gelten. Arbeiten und Feiern sind keine Gegensätze!
3. Heißt Gleichheit Gerechtigkeit?
Gerade in kulturellen Fragen wie dem Eherecht, der religiösen Symbole in der Öffentlichkeit etc. gibt es seit längerem die Tendenz, diese Entscheidungen Höchstgerichten zu überlassen und nicht mehr politisch zu bewerten. Diese Selbstentmündigung des demokratisch legitimierten Souveräns ist auch unabhängig vom „Karfreitag-Urteil“ problematisch. Muss wirklich alles für alle gleich gelten?
Hans Putzer
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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