Priester - Hobbys | Teil 13
Kann man mit dem Henry-Stutzen Christ sein?
Das SONNTAGSBLATT im Gespräch mit Dieter Peretitsch, Pfarrer von St. Peter/Freienstein.
Erinnerungen an seine Jugend sind für Dieter Peretitsch unweigerlich mit seiner Liebe zu einem bestimmten Autor verbunden: „Schon bevor wir die Karl-May-Bücher zu Weihnachten geschenkt bekommen haben, haben wir sie in der Nacht aufgespürt und beim Licht der Taschenlampe gelesen.“ Faszinierend. „Als Winnetou gestorben ist, da hab’ ich geweint. Mit 12, 13 Jahren hab’ ich dann bei einem Lehrer in Obdach jede Woche einen Band ausgeborgt, dabei eine unglaubliche Hilfe erfahren und von fernen Ländern geträumt. Ich habe dort einen religiösen Unterton gefunden, der mich sehr angesprochen hat.“
Bei der Styria in Knittelfeld lernte Dieter Peretitsch schließlich Buchhändler. Die Liebe zur farbenprächtigen Abenteuerwelt des deutschen Vielschreibers mit schillernder Vergangenheit blieb bestehen. „Wenn Kunden seine Bücher bestellten, hab’ ich sie schnell gelesen, bevor sie sie abgeholt haben.“ Als er im zweiten Bildungsweg Priester wurde, und später in der Seelsorge als Pfarrer in St. Peter/Freienstein spielte Karl May keine Rolle mehr in seinem Leben. Trotzdem blieb ihm die Idee von einem Urquell, der in den Büchern fließt, im Hinterkopf, vor allem „wenn ich merkte, dass das Wort schwach ist. Da liest man doch wieder eine Ermutigung von einem evangelischen Kollegen.“ Als solchen versteht Peretitsch Karl May, der es in jungen Jahren selbst als Katechet probiert hat, durchaus. Als „Karl-May-Methode“ sieht er das an, was so viele Bücher durchzieht. Am bekanntesten wohl die Orient-Serie mit Kara Ben Nemsi Effendi und Hadschi Halef Omar und die Wildwest-Geschichten mit Winnetou und seinem Blutsbruder Old Shatterhand, die so erfolgreich verfilmt wurden. Ein Zitat Karl Mays ist ihm im Gedächtnis: „Tragt euer Evangelium hinaus, doch ohne Kampf sei es der Welt beschieden, bringt nur die Liebe mit, alles andere sei daheim geblieben.“ Das ist doch für seine Zeit ein unwahrscheinlich moderner Ansatz. Den Menschen in anderen Ländern nicht unsere Weisheiten aufzudrängen, sondern froh zu sein über die Kultur, die man dort finden kann.
Karl May wollte nie der Jugendbuchautor sein, als der er lange eingestuft wurde. Er selbst hat seine Bücher als Gleichnisse verstanden. Vor allem sein Alterswerk erfährt schön langsam eine andere Würdigung. Dieter Peretitsch ist in seiner Begeisterung für die Bücher Karl Mays auch zum Sammler geworden. Sein Bücherschrank umfasst mittlerweile einige Schmankerln, unterschiedlichste Ausgaben und geschätzte 700 bis 800 Bände insgesamt. „150 hab ich mittlerweile sicher schon wieder weitergeschenkt.“
2007 hat er es nach langen Versuchen geschafft, endlich nach Radebeul zu kommen, wo Karl May seine letzten Jahre verbrachte, und ist seitdem auch Mitglied in der Karl-May-Gesellschaft, die sich nicht nur als Sammelpunkt der Forschung versteht, sondern ebensosehr als Vereinigung derer, die von ihm fasziniert sind. Es ist eine liebhaberische Beschäftigung mit ihm, bei wachem kritischem Verstand für den deutschen Fantasten, der sich selbst und anderen eine eigene Welt schuf.
Gisela Remler
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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