ADVENT – menschlich betrachtet | Teil 4
In jeder Lage Sinn erfüllen
Advent. Was das „Weihnachtskind“ uns noch lehren wird.
Viele junge Leute bäumen sich heutzutage gegen das „Welterbe“ auf, das die ältere Generation ihnen hinterlassen hat. Sie werfen ihren Eltern und Ahnen vor, ein Desaster angerichtet zu haben, das sie, die Jungen, nunmehr ausbaden müssen. Ist es überhaupt noch verantwortbar, Kinder in die Welt zu setzen, fragen sie angesichts von Überbevölkerung, Klimakatastrophe, atomarem Säbelrasseln, Gesundheitsbedrohung und Wirtschaftsflaute. Sie haben nicht unrecht, die Jungen, und dennoch ist anklagen leichter als besser machen. In Wahrheit ist „Bessermachen“ verflixt schwer. Immer wieder tappen erwachsen werdende Kinder in dieselben Fallen, in die ihre Vorfahren gestolpert sind, was diese Kinder ihnen zuvor heftig angekreidet haben. Das kommt daher, weil Vorbilder von starker Wirkung sind. Wie froh darf derjenige sein, der gute Vorbilder erleben durfte; sie werden ihn lange schützend begleiten.
Der Wert edler Vorbilder
Bedauerlicherweise haben auch üble Vorbilder ihre Sogkraft, und so sehr man sie auch anprangern mag, muss man sich doch vehement gegen ihre Sogkraft stemmen. Dazu kommt, dass man ihre Alternative nicht kennt. Bei schlechten Vorbildern muss „das Bessere“ zum „Bessermachen“ erst erfunden werden, und das ist mühsam. Nicht, dass es nicht gelingen könnte. Der menschliche Geist ist mit enormen Innovationskompe-tenzen ausgestattet. Aber mühsam bleibt es trotzdem. Deshalb sind edle Vorbilder von immensem Wert, was die Medien, die sich vorrangig auf Verrücktheiten und Dramen stürzen, wesentlich mehr beachten sollten.
Wenn sie zum Beispiel in den Unterhaltungsfilmen zu 80% desolate Familienverhältnisse präsentieren, darf man sich nicht wundern, wenn die echten Familienverhältnisse allmählich nachziehen, was natürlich niemand will. Da ist das uralte Vorbild der „heiligen Familie“ mitten in den (gemüts-)kalten Wintertagen ein Gegenpol, dessen es dringend bedarf. Ein Kind wurde geboren, das es tatsächlich schaffen wird, es „besser zu machen“ als die Führer und Priester der Vergangenheit. Ihm nachzufolgen könnte die Vision „des Besseren“ bis in unsere krisengepeitschte Gegenwart hineintransportieren.
Freilich, der Traum von einer heilen Welt ist unerfüllbar. Jede junge Generation hat ihn in Variationen geträumt. Zu schön ist auch die Vorstellung, alle Menschen würden friedlich miteinander leben, in gegenseitigem Respekt, einander Freiheit und Wohlwollen gewährend, sich in Rücksicht und Nachsicht einübend und bereit zum Verzicht auf Vorurteile und Vorverurteilungen.
Wie schön wäre es, würde sich nach Jahrtausenden zum Eingottglauben auch noch der Glaube an die eine Menschheit dazugesellen, wie Viktor E. Frankl es formuliert hat. Nun, obwohl das Ziel in unendlicher Ferne blinkt, möge sich die junge Generation dafür einsetzen. Sie ist idealistisch und elastisch genug, um Neuerungen einzuleiten. Seit Hermann Hesse wissen wir, dass jedem neuen Anfang ein Zauber innewohnt, und die jungen Leute sollen ihren Zauber haben! Die Realität wird sie früh genug entzaubern. Eines allerdings mögen sie bei ihrem Unterfangen bedenken, nämlich dass es nicht nur das selbstgestrickte, vermeidbare und änderbare Leid gibt, gegen das sie revoltieren. „Das menschliche Dasein ist zuletzt und zutiefst Passion“, hat Frankl geschrieben, und selbst das „Weihnachtskind“ wird im Zuge seines Heranreifens davon nicht verschont bleiben.
Unter den Hammerschlägen des Schicksals
Es passt nicht zum Sturm und Drang der Jugend und auch nicht zur Macher-Illusion der modernen Generation, verstehen zu müssen, dass es auch den nicht zu verhindernden Schmerz in der Welt gibt, bei dem kein „Bessermachen“ mehr möglich ist, sondern bloß noch ein demütiges oder aufschreiendes Aushalten. Da erkrankt eine Mutter von drei Kleinkindern an Krebs und muss bald sterben. Dort begräbt ein Erdbeben ein ganzes Dorf unter Trümmern. Wir dürfen nicht einmal „Warum?“ fragen, weil uns keine Antwort zuteil wird. Es ist eher umgekehrt: Unsere Reaktion darauf ist unsere eigene Antwort. Wir können mit dem Schicksal hadern, toben, unsere Verzweiflung in wilder Wut an unseren Nächsten und Unschuldigen auslas-sen, aber das ändert nichts am Sachverhalt. Es macht ihn bloß noch trauriger.
Dennoch gibt es auch in diesem Falle – zwar kein „Bessermachen“, aber – eine Bestreaktion, die wir uns abringen können im heroischen Hinnehmen und Annehmen des uns Aufgebürdeten ohne aggressiven Rundumschlag oder autoaggressive Panik. Das „Weihnachtskind“, vorläufig noch munter und geborgen in der Krippe, wird es uns eines späteren Tages lehren. Das Beispiel des heroischen und geduldigen Ertragens eines unabwendbaren Leides ist eine der kostbarsten Lehren für unsere unheile und ungeduldige Welt. Es demonstriert höchste Tüchtigkeit und zugleich die sinnvollste „Antwort“, die wir unter den Hammerschlägen des Schicksals zu geben vermögen.
Deshalb möchte ich abschließend sagen: Auch wenn viele unserer Träume unerfüllt bleiben, können wir doch Sinn erfüllen in jeder Lage, in der wir uns befinden – sei sie verbesserbar oder aussichtslos.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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