Adventserie Zuversicht | Teil 2
Hoffen und Bangen
Zuversicht als innere Kraft - Adventserie Teil 2 von Melanie Wolfers
Als Christin und Ordensfrau werde ich immer mal wieder gefragt, ob mir mein Glaube hilft, mit Krankheit, Krisen und Sterben zuversichtlicher umzugehen. Dann zitiere ich gerne das Gedicht „Herbst“ von Rainer Maria Rilke. Dieses Gedicht nimmt Ruhe und gibt Ruhe. Es drückt die bleibende Spannung aus von Hoffen und Bangen.
In dem Gedicht heißt es:
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten …
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: Es ist in allen.
Eine Wendung nimmt das Gedicht, als es den Blick auf etwas Tieferes richtet:
Und doch ist Einer,
welcher dieses Fallen unendlich sanft
in seinen Händen hält.
Leben in Gott.
Als Christin hoffe ich, dass nichts und niemand ins Leere fällt, sondern gehalten und aufgehoben ist in einer größeren, umfassenderen Wirklichkeit. Diese letzte Wirklichkeit ist gemeint, wenn die Weltreligionen von Himmel oder ewigem Leben sprechen.
In verschiedenen Bildern drückt die Bibel die Hoffnung auf ein „Leben in Fülle“, ein „Leben in Gott“ aus. Wie diese Wirklichkeit aussieht, weiß niemand. Alle Bilder bleiben vage Versuche, diese Zuversicht auszudrücken. Doch dass unser endliches Leben mit seiner Schönheit und seinem Schrecken im Unendlichen geborgen ist – darin kommen die biblischen Bilder überein. Und darin findet der christliche Glaube seine Mitte. Eine solche Hoffnung wirkt wie ein Licht, das hilft, sich der ängstigenden Dunkelheit zu stellen, und das einen neuen Morgen verspricht.
Wichtig:
Die christliche Hoffnung bietet keinen Weg an, Not und Leiden theoretisch zu verstehen. Doch sie kann einen Weg eröffnen, diese zu bestehen – und das vor allem in solidarischer Sorge um diejenigen, die um ihr Leben betrogen werden und vom Leid am meisten betroffen sind. Denn aus christlicher Perspektive ist Solidarität der menschlichste Ausdruck des Glaubens. Darauf macht Jesus mit seiner überraschenden Erzählung aufmerksam, worauf es am Lebensende ankommt: Es wird nicht gefragt, welche Glaubenssätze man im Kopf, sondern ob man für andere ein Herz hatte (vgl. Matthäus 25,31–46). Es wird nicht gefragt, zu welcher Religion oder Kultur man gehört, sondern ob man sich als Mitglied
der einen universalen Menschheitsfamilie verstanden und entsprechend gelebt hat.
Wo diese Hoffnung konkret wird, leuchtet eine Spur des göttlichen Glanzes auch an trüben Tagen und in den dunklen Ecken unserer Welt auf.
Zuversicht.
Sie ist die Kraft, die an das Morgen glaubt.
Ein ausdrucksstarkes Bild für diese Kraft hält die Natur bereit: Die Sonnenblume wendet noch in der Nacht ihren Kopf in jene Richtung, wo die Sonne aufgeht. Ähnlich macht es die Hoffnung!
Und darin liegt eine Grundregel für ein von Hoffnung und Zuversicht getragenes Leben: Alles tun, was in unserer Macht liegt, und offen sein für Rettendes. Wie die Sonnenblume noch im Dunklen aktiv den Kopf in jene Richtung wenden, wo die Sonne aufgeht, und sich dem Geheimnis von Nacht und Tag überlassen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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