Anfänge. Eine Serie mit Chris Lohner | Teil 02
Harte Arbeit und großes Herz
Ulli stammt aus einem kleinen Dorf nahe der tschechischen Grenze, Sait aus der Türkei. Sein Vater hatte ein Lokal am Strand. Ullis Papa war Gemeindearzt. Los war überall viel – in der Praxis und rund um die Bar am Meer.
Bei einem Türkeiurlaub mit ihren Eltern sahen sich Ulli und Sait das erste Mal. Es war der Anfang einer großen Liebe, einer Liebe mit Hindernissen: Sait ist Moslem, Ulli Christin. Ihr Vater hatte große Bedenken. Doch Ulli glaubte an diese Beziehung und wollte auch ihren Vater überzeugen, dass diese Beziehung Zukunft haben würde. „Mein Vater war mir zu wichtig. Ich wollte, dass auch er zu Sait stehen kann“, erzählt Ulli.
Beide besuchten touristische Fachschulen. Nach der Hochzeit übersiedelte Sait nach Österreich. Viele Jahre arbeiteten sie zusammen in einem Hotel in der Innsbrucker Innenstadt. Sait war dort Kellner. Ein Stressjob. Dann warf ihn ein schwerer Herzinfarkt aus der Bahn. Zu dieser Zeit war Ulli mit Sohn David schwanger, ihr erster Sohn Aris gerade erst zwei Jahre alt. „Diese Wochen waren für mich wie ein Tunnel ohne Ausgang. Sait ging es gesundheitlich sehr schlecht. Ich war allein zu Hause. Ich las jeden Tag bis spät abends Bücher, um einschlafen zu können“, erzählt Ulli. Die notwendige Herzoperation überstand Sait gut.
Ein Neuanfang. Noch bevor Sait wieder auf die Beine kommt, will er einen Neuanfang setzen. Er kündigt und findet eine Arbeit als Kellner in einem kirchlichen Bildungshaus. Zwei Jahre später sehen Ulli und Sait die Zeit für eine neue Herausforderung gekommen. „Es war immer schon mein Traum, mich selbstständig zu machen“, so Sait. Eine Anzeige zur Betriebsübernahme einer Pizzeria weckt sein Interesse. Noch einmal wollen Ulli und Sait alles auf eine Karte setzen. Ihr gesamtes Vermögen investieren sie in die Eröffnung eines eigenen Restaurants. „Wir haben felsenfest aufeinander vertraut und an das Gasthaus geglaubt, auch wenn wir nicht wussten, ob es ein Erfolg werden würde“, meint Sait im Rückblick. „Geholfen hat uns sicher auch die Erfahrung, die wir über die Jahre gesammelt haben.“
Nur mit Hilfe der Freunde. Der Aufbau des Lokals ist ein hartes Stück Arbeit. Auch weil die Kinder zu dieser Zeit noch klein sind. Die Sorge um sie und um das Geschäft führen Ulli und Sait wiederholt an die Grenzen der Belastbarkeit. „Die Kinder haben zu dieser Zeit sicher zurückstecken müssen“, räumt Ulli ein. Und sie ist dankbar für die Unterstützung der vielen Freunde, ohne die es nicht gegangen wäre.
„Bei uns zu Hause herrschte jahrelang ein Kommen und Gehen von Freunden. Sait und ich lieben das, und auch unsere Kinder.“ Sait: „Bei meinem Vater war immer was los. Und wer nicht bezahlen konnte, hat trotzdem was zu essen bekommen. Ich mach das auch so. Wenn ein Sandler kommt, geb ich ihm was zu essen.“
Aus sieben Nationen. Inzwischen ist „Mamma mia“ zu einem stattlichen Betrieb gewachsen. Aus drei Angestellten sind inzwischen 15 geworden. Das Besondere: Ullis Herkunftsland ist Österreich, die anderen Mitarbeiter/innen kommen unter anderem aus Afghanistan, Griechenland, Bosnien, Kroatien, Bulgarien und aus der Türkei. Die Zusammenarbeit funktioniert gut. „Reibereien und Probleme gibt es wie in jedem anderen Betrieb natürlich auch bei uns“, sagt Sait. „Und wenn es einmal schwer wird, helfen Erfahrung und die Liebe zu meiner Frau.“
Draußen vor der Pizzeria wird es nun allmählich kühl. Immer wieder kommen Leute vorbei, um einige Worte mit Ulli und Sait zu wechseln. Ein Leben wie damals am Strand? Nicht wirklich. Zwei, drei Mal im Jahr fährt Sait heim in die Türkei ans Meer. Ständig ohne Meer zu leben, mitten in den Bergen in den langen Wintermonaten würde er nicht aushalten. Derweil serviert ein Kellner am Nachbartisch frische Pizzas. „Wir wollen, dass die Gäste hier so essen, als würden wir sie zu uns nach Hause einladen“, sagt Ulli. Sie scheinen es zu schmecken.
Gilbert Rosenkranz
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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