Vatikan kompakt | Teil 09
Gleichberechtigt im Vatikan?

„Viele Mitarbeiterinnen des Papstes verstehen ihre Aufgabe weniger als Macht denn als Dienst. Eine Linie, auf die Papst Franziskus auch die Kleriker einzuschwören versucht“ – Gudrun Sailer. | Foto: KNA
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Aufbruch einer Männerdomäne

Das nicht immer unumstrittene Verhältnis der Kirche zu den Frauen hat wohl auch sein Scherflein dazu beigetragen, dass gerade dem Zentrum der Weltkirche in der Öffentlichkeit bis heute der Ruf als „Männerbastion“ anhaftet. Und das war der Vatikan lange Zeit wohl auch. Als man allerdings Ende der 1960er Jahre dazu überging, neben Priestern auch Laien mit immer mehr Aufgaben zu betrauen, begann auch die Ära der Frauen im Vatikan.

20 Prozent der Mitarbeiter sind Frauen

Vor einigen Jahren waren Frauen innerhalb der Vatikanmauern noch eher als Helferinnen im Haushalt oder bei niederen Diensten anzutreffen. Heute ist die Mehrzahl von ihnen in Funktionen zu finden, die weitreichendere Kompetenzen umfassen und daher auch im mittleren oder höheren Gehaltsbereich liegen. Dabei ist der Vatikan wohl einer von wenigen Orten, an dem die Forderung „Gleiches Gehalt für gleiche Arbeit“ unabhängig vom Geschlecht auch wirklich umgesetzt wird.

Für eine kleine „Revolution“ sorgte Papst Johannes Paul II., als er 2003 erstmals eine Frau an die Spitze einer Päpstlichen Akademie berief. Die Universitätsprofessorin Letizia Ermini Pani wurde Präsidentin der Akademie für Archäologie. Als kurz darauf die Soziologin Schwester Enrica Rosanna Untersekretärin der Ordenskongregation – vergleichbar mit einem Staatssekretär einer weltlichen Regierung – wurde, hatten erstmals Priester im Vatikan eine Frau als Vorgesetzte.

Karriere auch ohne Priesterweihe

Bestimmte Leitungsaufgaben bleiben zwar weiterhin Priestern vorbehalten. Aber auch ohne Priesterweihe können Frauen die vatikanische Karriereleiter emporsteigen: Sei es nun als Leiterin des Vatikanischen Filmarchives, als Chefin des Archives der Dombauhütte von St. Peter, als führende Mitarbeiterin in diversen Kongregationen, als Mitglied einer Päpstlichen Akademie oder als Theologin in der Internationalen Theologenkommission, der „Denkfabrik“ der Vatikanischen Glaubenskongregation. Offensichtlich wurden die „Zeichen der Zeit“ erkannt. Die Konsequenz: In den vergangenen 40 Jahren wurde Frauen im Vatikan mehr Bedeutung zuteil, und ihre Anzahl stieg auf etwa 700. Trotz mancher Querschüsse und Blockaden, die auch noch heute existieren, wird dieser Prozess noch lange nicht zu Ende sein.

Übrigens: Der Putztrupp im Petersdom besteht heute zum überwiegenden Teil aus Männern.

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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