GEISTES.Gaben aus FRAUEN.Sicht | Teil 07
Elektrisiert von Gott
Gottesfurcht klingt in heutigen Ohren nach Angst und Autorität. Dabei kann sie uns anzeigen, wozu wir berufen sind.
Die bisherigen Geistgaben sind auf den ersten Blick wünschenswert: Mehr Weisheit oder Stärke kann nie schaden. Aber Furcht? Wozu wünsche ich mir Gottesfurcht vom Heiligen Geist? Selbst wenn ich sie als Ehrfurcht verstehe, wie sie einem König gebührt, scheint es mir doch nichts zu bringen, einer Autorität die Ehre zu erweisen. Worin kann also der Nutzen der Gottesfurcht liegen?
Im Hebräischen gibt es eine Vielzahl von Begriffen, die mit (Gottes)Furcht übersetzt werden können, und nicht in allen Fällen ist klar, ob es eher um Ehrfurcht oder tatsächlich um Angst geht. Die Aspekte lassen sich auch nur schwer unterscheiden, schließlich ähnelt sich auch das körperliche Empfinden: Beides lässt zittern und beben, das Herz schneller schlagen und die Hitze aufsteigen. Die häufigste hebräische Wurzel für diese Regung ist yira. Sie spielt unter anderem in einer bekannten Szene aus dem Alten Testament eine Rolle, die zeigt, inwiefern Gottesfurcht nützlich sein kann.
Im Buch Exodus sieht Mose den brennenden Busch, den die Flammen nicht verzehren. Neugierig nähert er sich ihm und wird beim Namen gerufen: „Mose!“ Er soll die Schuhe ausziehen, da er auf heiligem Boden steht. Prompt verhüllt er sein Gesicht, weil er sich fürchtet (yare), Gott anzusehen. Was auf Mose zukommt, ist ein paar Nummern zu groß für ihn. Einwand folgt auf Einwand. Aber Gott ist hartnäckig, wenn es um Berufungen geht.
Die Furcht des Mose ist hier ein Seismograf für die lebenserschütternde Veränderung, die sich für sein Volk und ihn anbahnt. Der mittlerweile verstorbene US-amerikanische Rabbi Alan Lew schreibt in dem Zusammenhang über yira: „Eine neue Kraft kündigt sich an, eine neue Energie surrt durch unseren Körper, und wir nennen diese surrende Energie in Ermangelung besserer Worte Angst.“
Gottesfurcht ist demnach nichts, das erstarren lässt, sondern das elektrisiert. Wer sie spürt, ist in unmittelbarem Kontakt mit seiner Berufung, mit dem Lebensweg, den Gott zum Wohl aller für ihn vorsieht. Gottesfurcht ist die Angst vor dem ureigensten Sprung in das Ungewisse; sie ist aber auch die Kraft, mit der er gelingen kann.
Daniela Feichtinger ist Theologin und Co-Founder des Onlineshops
www.frommesmitmayo.com.
Gott verlangt nichts vom Menschen, ohne ihm zugleich die Kraft dafür zu geben.
Edith Stein
(1891–1942), katholische Religionsphilosophin, Pädagogin und Ordensfrau jüdischer Abstammung.
Gottesfurcht:konkret
Wenn du das nächste Mal Angst hast, halte inne: Könnte es hier um deine Berufung gehen, und kündigt sich im rauschenden Blut und den zitternden Gliedern vielleicht auch die Kraft zum Handeln an?
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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