Die Adventzeit erleben und gestalten | Teil 01
Brauchtum – was man braucht, um Advent zu feiern
Vor ein paar Jahren war ich im Disney-Land bei Paris. Dort gibt es eine Menge interessanter Dinge zu entdecken. Besonders gestaunt habe ich allerdings über eine Entdeckung: mitten in diesem großen Vergnügungspark steht ein großes Märchenschloss. Wenn man da hineingeht, findet man verschiedene Souvenirläden. Und in einem dieser Läden gibt es nichts anderes zu kaufen als Weihnachtsdekoration, Christbaumschmuck und ähnliche Dinge. Es war übrigens mitten im August, als ich dort war. Diesen Weihnachtsladen gibt es das ganze Jahr über. Es ist offenbar ein Trend unserer Zeit, dass alles ständig verfügbar und sofort zu bekommen ist.
Aber es gibt neuerdings auch den gegenläufigen Trend, dass Menschen sich der Besonderheit besonderer Zeiten neu bewusst werden und diese Prägung in die Gestaltung ihres Alltags und ihrer Lebensräume einbeziehen. Auch dafür sind Weihnachten und der diesem Fest vorausgehende Advent ein schönes Beispiel.
Gerade die Zeit des Advents kennt eine lange und reiche Tradition an Brauchtum, zu dem etwa Adventkranz und Barbarazweige, Rorategang und für die Kinder der Besuch des Nikolaus gehören. Zwischenzeitlich war zu befürchten, dass die alten, oft sehr lokal kolorierten Bräuche immer mehr in Vergessenheit geraten, dass zeitliche wie örtliche Besonderheiten sich allmählich in der global vernetzten Einheitsgesellschaft auflösen.
Aber das Gegenteil ist der Fall. Das Brauchtum im Advent boomt heute geradezu. Altes erfährt eine Neubelebung, und auch neue Bräuche haben sich etabliert. Christkindlmärkte wachsen auf den Plätzen unserer Städte wie Schwammerl aus dem Boden und laden zum gemütlichen Flanieren, zum Bestaunen kunstvoll gefertigter Handarbeiten und zum Punschtrinken ein. Zur Adventkranzsegnung füllen sich die Kirchen wie kaum einmal sonst im Jahr. Selbst die frühmorgens gefeierten Rorategottesdienste werden gerne besucht und oft stimmungsvoll bei Kerzenlicht gestaltet.
Zu einem „coolen“ Anziehungspunkt im adventlichen Graz ist in den letzten Jahren die Eiskrippe im Landhaushof geworden. Dort hat auch der Adventlauf der Diözesansportgemeinschaft sein Ziel, der sich als „besinnlichstes Sportereignis des Jahres“ bei den einigen hundert Teilnehmer(inne)n einen guten Namen gemacht hat. Sie bringen außerdem das Friedenslicht mit, das viele Menschen gerne nach Hause tragen. Eine wahrscheinlich einzigartige Einrichtung ist das „Büro für Weihnachtslieder“ im Grazer Rathaus, das für alle Fragen über Lieder, Gedichte und Geschichten zur Weihnachtszeit gerüstet ist.
Was – wie der Adventkalender – einst ausschließlich Sache der Kinder war, entdecken zunehmend auch die Erwachsenen für sich als Sinnbild für das spannungsvolle Warten und Beschenktwerden. Heute finden sich Adventkalender an öffentlichen Gebäuden, auf Internetseiten und sogar im Sonntagsblatt. Auch die adventliche Gestaltung der eigenen vier Wände ist zur Zeit ein absolutes „must“. Lifestyle-Magazine bieten Vorschläge für stimmungsvollen Raumdekor einschließlich passender Beleuchtung und Duftnote, dazu Anregungen für die Weihnachtsbäckerei und Basteltipps.
Natürlich spielt bei all dem die wirtschaftliche Bedeutung von Weihnachten eine nicht unbedeutende Rolle. Die Meldungen von Rekordumsätzen im Weihnachtsgeschäft sind fast schon Bedingung für ein frohes Fest, und der 8. Dezember heißt in-offiziell längst „Einkaufsfeiertag“. Leicht überlagert die „Vorweihnachtszeit“ den Advent. Wo er aber bewusst gestaltet wird als eine Zeit, um sich darin einzuüben, warten zu können, das Dunkel auszuhalten, da kann er zu einer segensreichen Zeit werden.
Alfred Jokesch
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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