Quelle des Segens - Schritte zu einer lebendigen Liturgie | Teil 14
Beten ist ein Bitten, ein Loben und eine Danken für die Welt und das Leben.

Foto: Ernst Zerche
2Bilder

Herr, lehre uns beten, haben die Jünger Jesu zu ihm gesagt, wie das Lukasevangelium berichtet. Die Antwort auf diese Bitte war der Text des Vater-unser-Gebetes, das zum zentralen Gebetstext der Christenheit geworden ist. Es ist ein Gefüge von sieben großen Bitten, die alles zusammenfassen und umschließen, was wir sein und werden sollten.

Beten ist vor allem ein Bitten, weil wir Menschen Mängelwesen sind, die sich nicht alles, was nottut, selbst geben können. Mit immer wieder leeren Händen begegnen wir Menschen und begegnen wir Gott. Beten ist aber nicht ein Betteln, sondern ein Bitten in Würde. Beten ist aber nicht nur ein Bitten, sondern auch ein Loben und ein Danken für die Welt und für das Leben. Im christlichen Gebet geben Menschen allein oder vor allem in der Liturgie gemeinsam Gott eine lobende, dankende oder bittende Antwort auf das Wort, das er ihnen in der Welt als seiner Schöpfung wie auch in der Geschichte der Menschheit und zumal der Christenheit und in ihrer persönlichen Lebensgeschichte immer neu zuspricht.

Christliches Beten und christliches Engagement in Kirche und Gesellschaft gehören untrennbar zueinander. Die Kraft zu einem authentischen Zeugnis kommt dabei besonders aus der Liturgie und zumal aus dem Sa-krament der Eucharistie und der Buße und aus dem betenden Verweilen vor dem Christus in Brotsgestalt. Die eucharistische Anbetung ist ein großer geistlicher Schatz, und unsere Kirchenräume als Orte verdichteter Gegenwart Christi mit offenen Türen, aber zugleich mit Schwellen der Ehrfurcht sollen als solche möglichst vielen Menschen offen stehen. Der heute halbvergessene Pater Teilhard de Chardin, ein Paläontologe, Philosoph und großer geistlicher Meister, hat bezogen besonders auf die Eucharistie und die eucharistische Anbetung gesagt: „Wo die Anbetung zunimmt, dort wächst auch die Liebe – die Liebe zu Gott und zu den Menschen.“

Der betende Mensch streckt sich aus nach einem Du: nach dem oft als nahe und dann wieder als fern und stumm empfundenen Gott. Wie das Leben als ganzes, so hat das Gebet seine Gezeiten, hat Zeiten der Flut und Zeiten der Ebbe. Auch von der Kirche als Heilige verehrte Männer und Frauen haben Gebet so erlebt und erlitten. Neuerdings weiß man, dass es auch der seliggesprochenen Ordensfrau Mutter Teresa von Kalkutta so ergangen ist. Auch in Zeiten der Dürre gilt es aber, dem Gebet als „Atem der Seele“ treu zu bleiben, damit – bildhaft gesprochen – dem Glauben nicht die Luft ausgeht.

Beten lernen und Beten lehren

„Ihr sollt allezeit beten“, hat Jesus nach dem Zeugnis des Lukasevangeliums den Jüngern gesagt. In der Ostkirche hat sich auf der Grundlage dieses Wortes die Praxis eines „immerwährenden Gebetes“ entwickelt, ein in wenige immer gleiche Worte verdichtetes Beten als Begleitung des körperlichen Ein- und Ausatmens. Diese geistliche Übung ist freilich wenigen zutiefst geistlichen Menschen, zumal Mönchen und Nonnen, vorbehalten, die nicht durch berufliche und andere Verpflichtungen daran gehindert sind. Für den Christen im Allgemeinen bedeutet das Wort Jesu „Ihr sollt allezeit beten“ eine Einladung, sich möglichst oft daran zu erinnern, dass wir in der Gegenwart Gottes leben, auch wenn wir nicht daran denken können oder wollen.

Viele kostbare alte und neue Texte und Bilder gibt es, die beim Beten helfen können: Texte aus der Heiligen Schrift und Texte von heiligen Menschen, die Gott gesucht und immer wieder gefunden haben. Und dazu die vielen Räume und Bilder, bei denen wir einkehren können, um still zu werden in Betrachtung des Heiligen, das alle Worte und Bilder übersteigt.

„Obwohl die heilige Liturgie vor allem Anbetung der göttlichen Majestät ist, birgt sie doch auch viel Belehrung für das gläubige Volk in sich. Denn in der Liturgie spricht Gott zu seinem Volk; in ihr verkündet Christus noch immer die Frohe Botschaft. Das Volk aber antwortet mit Gesang und Gebet. Überdies werden die Gebete, die der Priester, in der Rolle Christi an der Spitze der Gemeinde stehend, an Gott richtet, im Namen des ganzen heiligen Volkes und aller Umstehenden gesprochen. Die sichtbaren Zeichen endlich, welche die heilige Liturgie gebraucht, um die unsichtbaren göttlichen Dinge zu bezeichnen, sind von Christus und der Kirche ausgewählt.“
II. Vatikanisches Konzil, Sacrosanctum Concilium 33

Dr. Egon Kapellari, Diözesanbischof

Foto: Ernst Zerche
Verheißung an Abraham, Wiener Genesis, 6. Jh.
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ