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Vom Geboren-Werden und Sterben

Wenn ein neuer Mensch auf die Welt kommt, sind Hebammen, wie Agnes Maier eine ist, gefragt. Schwerkranke Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet Désirée Amschl-Strablegg bei ihrer Arbeit im Hospiz- und Palliativ-Bereich.

Werden und Vergehen
Wie wir selbstverständlich von Geburten berichten, Familien und das neue Leben dabei begleitet werden, so sollen auch Sterben und Tod kein Tabuthema sein. Schließlich betrifft uns das eine wie das andere gleichermaßen. Leben und Tod liegen manchmal nah beieinander. So stehen sie sich auch hier in Form von zwei Personen, die in ihrer Profession jeweils mit dem einen oder anderen zu tun haben, gegenüber. Eine Hebamme und eine Hospiz- und Palliativ-Krankenschwester erzählen von ihren wertvollen Tätigkeiten an diesen existenziellen Orten der menschlichen Biografie.

»Neues Leben in seinem Werden zu begleiten erfordert viel Geduld.«

Agnes Maier

ist als Hebamme in Graz tätig.

Neues Leben in seinem Werden zu begleiten, während der Schwangerschaft und dann auch konkret bei der Geburt, erfordert viel Geduld und oft langes Warten. Wenn das Kind dann da ist, fühle ich auch nach gut zehn Jahren Erfahrung immer noch eine Art von Faszination – man trifft einen ganz neuen Menschen mit seiner ganz eigenen Persönlichkeit, die oft schon in der ersten Lebensstunde sichtbar wird. Geburten sind auch für mich als Hebamme oft körperlich herausfordernd und ein Kraftakt – man ist lange auf den Beinen und verharrt bei der Arbeit mit den Frauen immer mal wieder für längere Zeit in körperlich anstrengenden Positionen. Nach einer geglückten Geburt stellt sich Erleichterung ein, auch wenn man als Professionistin immer noch weiter aufmerksam bleibt.

Mit den Händen arbeiten
Der Berufswunsch Hebamme entstand sehr früh bei mir. Ich wollte eine Ausbildung machen, bei der ich mir Wissen aneigne und mit den Händen arbeite. Außerdem hat mich das Thema Frauengesundheit interessiert. Ich habe das Gefühl, etwas Nützliches zu tun. Was der Beruf paradoxerweise leider nicht ist, ist familienfreundlich. Man hat tagtäglich mit Familien zu tun, aber oft sehr wenig Zeit für die eigene Familie. Da ist der Beruf zu wenig in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung präsent. Dabei braucht jeder Mensch eine Hebamme – und wenn es nur bei der eigenen Geburt ist. Verbesserungsbedarf sehe ich in der Frauenmedizin als Ganzes. Bei einer Geburt will jeder ein gesundes Kind – ich will eine psychisch und körperlich gesunde, unversehrte Frau und ein gesundes Kind.

»Sterben ist das zweite ganz große existenzielle Ereignis im Leben eines Menschen.«

Désirée Amschl-Strablegg

ist diplomierte psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflegerin und Leiterin des Bereichs Hospiz und
Palliativ bei den Elisabethinen Graz.

Seit zwölf Jahren beschäftigt mich der Tod beruflich. Die stille Faszination daran – das Mystische – zieht mich schon viel länger an. Dabei ist es gar nicht der Tod, dieser eine Moment, bei dem man die Schwelle übertritt, der so voller Respekt, zumeist mit viel Abstand betrachtet, sogar oft gefürchtet wird, der unsere Ängste schürt.
Vielmehr ist es das Sterben. Dieser letzte Abschnitt des Lebens, in dem sich unser Körper in seinem Tempo auf diesen Übertritt vorbereitet. In dem er langsam, aber sicher seine Funktionen einstellt. Auch der Geist, unser Verstand, verliert mitunter in diesen Tagen, manchmal Wochen des Sterbens bereits seinen gewohnten Leistungsumfang. Doch die Seele, ich mag diesen Begriff ganz bewusst verwenden, scheint eine Reifung zu erfahren.

Wenn Sterbende von „drüben“ erzählen
Diese Überzeugung ist in mir gewachsen – durch die Schilderungen von Patienten, die über Tage in dieser Phase des Sterbens waren, bei vollem Bewusstsein, und uns von „drüben“ erzählten. Diese Momente, und derer gibt es viele in unserem Tun, sind Geschenke. Tiefes Vertrauen und Gelassenheit können der Lohn dafür sein, sich mutig auf Menschen einzulassen, die kurz davor stehen, ihr irdisches Dasein zu beenden. Nicht allen Menschen ist am Ende ihres Lebens ein sanfter Übergang möglich. Oft geht das Sterben mit Schmerzen einher. Dann ist es ein Segen, mit Mitteln der modernen Medizin helfen zu können, diese Schmerzen zu lindern. Es ist immer eine Ehre, an dem zweiten ganz großen existenziellen Ereignis im Leben eines Menschen an dessen Seite sein zu dürfen, ihn auf diesem Weg ein Stück weit begleiten zu dürfen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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