Kultum - Auslöschung
Schwer, leicht, licht
Im steirischen herbst zeigt das KULTUM eine aufrüttelnde und bewegende Schau des kroatischen Künstlers Zlatko Kopljar.
AUSLÖSCHUNG: Als Zlatko Kopljar das erste Mal nach New York kommt, spürt er die pure Ohnmacht, die ihn fast auszulöschen droht. Daraus macht er eine Serie (K9 compassion), die ihn international bekannt werden lässt. Er kniet sich vor die Wallstreet, das Guggenheim-Museum, das UNO-Hauptquartier, den Times Square. Er fühlt Mitleid mit diesen Orten, nicht nur Ohnmacht. Später zerstört er diese Serie digital und unterlegt sie mit einer Stimme aus Tarkowskijs Film „Nostalghia“, die im Minoritensaal (K9) zu hören ist: „Wir müssen einander wieder die Hände reichen. Die Gesunden und die so genannten Kranken … Kehrt zurück an den Punkt, als Ihr falsch abgebogen seid.“
Alles in seinem Werk dreht sich um das Wie des Handelns und um das Wie des Lebens. Dabei breitet sich ein künstlerisches Werk aus fast vier Jahrzehnten aus, das die Frage nach der Rolle der Kunst in einer heutigen Gesellschaft stellt, die bedrohlich an ihren Fundamenten des Zusammenlebens sägt: Kopljars Werk setzt sich mit den Themen Schuld und Opfer nach der Erfahrung des Krieges auseinander, mit Werten in einer postkommunistischen und einer kapitalistischen Gesellschaft, mit Ethik und vor allem mit der Sehnsucht nach Orientierung. Trans-
zendenz, Erhabenheit und Rituale spielen dabei eine große Rolle. Der Künstler setzt sich gegen Auslöschung dieser Themen vielfach zur Wehr.
AUSLÖSCHUNG gilt aber auf spezifische Weise auch für Kopljars eigenes künstlerisches Schaffen: Nach der Inszenierung als Performer, später als Lichtfigur, werden bildhauerische Modelle entworfen, die die Frage und die Bergung von Kunst sehr grundsätzlich stellen: Das Museum of Modern Art (MoMA) in New York und die Tate Gallery of Modern Art (Tate Modern) in London werden zu Reliquiaren in dieser Schau. Schließlich verabschiedet sich Kopljar auch von dieser Form von Kunst und beginnt eine Phase als Maler. Diese Gemälde, die seit 2021 entstehen, sind das erste Mal überhaupt in dieser Ausstellung (im großen Ausstellungssaal) zu sehen: Mit „Disturbances“ betitelt, evozieren sie Frieden, Spiritualität und Erhabenheit.
Kurator Johannes Rauchenberger
In einer Zeit …
… tief empfundener Krisen und neuer Kriege steht das Werk des kroatischen Künstlers Zlatko Kopljar für ein künstlerisches Beispiel einer ethischen wie ästhetischen (Neu-)Orientierung: Wie sollen wir leben, (nicht) vergessen, welche Rolle muten wir der Kunst, der Transzendenz, ja dem Himmel zu?
Kopljar breitet im KULTUM ein weites Panorama aus: Faschismus, Vernichtung, Ex-Jugoslawienkriege, (Post-)Sozialismus, (Post-)Kapitalismus – das sind die Forschungs- und Transformationsfelder in seiner Kunst. Nach mehr als drei Jahrzehnten unterschiedlichster künstlerischer Ausdrucksweisen in Fotografie, Performance, Film und Skulptur münden sie in den letzten Jahren in eine fast vollständige Bildlosigkeit in Form großformatiger Malerei. Am Ende steht die Auslöschung.
Die umfangreiche Schau ist ein sehr bedeutender Meilenstein unser es lange aufgebauten Museumskonzepts, das nach Religion in der Kunst der Gegenwart sucht.
In Ausstellungsräumen, die in den letzten Wochen teilweise völlig neu gerichtet worden sind, vermag sich eine Kunst nun auch real, in großer Aura, zu entfalten. (Ein weiterer Flügel wird im Herbst noch umgebaut.) Was mich besonders bewegt: Fast alle Werke Kopljars werden mit dieser Ausstellung Teil unseres Museums für Religion in der Gegenwartskunst: Umso mehr würde ich mich freuen, Sie zur Eröffnung oder auch später zu Führungen bei uns begrüßen zu dürfen.
Lange Nacht der Museen
Samstag, 5. Oktober 2024
Führungen mit Kurator Johannes Rauchenberger: 18 und 21 Uhr
www.kultum.at
Führungsanmeldungen: 0316/711133
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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