Kultum Graz
Plädoyer zum Guten

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Mit biblischer Dringlichkeit wirbt die Künstlerin Zenita Komad im KULTUM Graz und im MMKK Klagenfurt für den Frieden.

Eines der unscheinbarsten Werke dieser umfangreichen Ausstellung im KULTUM in Graz stellt zwei Gipshände dar, die aus der Wand zu kommen scheinen: Sie sind den Schöpferhänden von Michelangelos Schöpfungsfresko in der Sixtinischen Kapelle nachempfunden. In beiden Händen – Schöpfer wie Geschöpf – laufen viele Meter roter Seile zusammen, die wiederum aus den Mündern oder einfach den Gesichtern von großen historischen Figuren stammen, die sich mit dem Frieden beschäftigten: Von Leo Tolstojs „Krieg und Frieden“, über Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Maria Montessori, Bertha von Suttner bis hin zur jüdischen Philosophin Hannah Arendt und deren „Banalität des Bösen“: Letztere ist so aktuell wie eh und je. Arendt wird mit dem Satz: „Forgiveness is the Key“ („Vergebung ist der Schlüssel“) porträtiert. Komads „Ahnengalerie“ für den Frieden hat im Kontext des ehemaligen Winterspeisesaals der Minoriten etwas von „modernen Heiligen“. Das verneint die Künstlerin freilich sofort: „Sie hatten alle ihre Schattenseiten.“ (Haben die Heiligen freilich auch, würde man kundig entgegnen.)

Tik Tok fürs Menschliche
Dennoch verblüfft Zenita Komads Zitatensammlung auf ihrer Friedensgalerie ebenso wie ihr explizites Aufgreifen biblischer Zitate, die beinah einer Tik-Tok-Version einer „Einführung ins Christentum“ gleichkommen. Und wiederum würde die Künstlerin – wenngleich ihr vielleicht die Parallele zum progressiven Frühwerk des späteren Papstes gefallen würde – sofort korrigieren: „Einführung ins Menschsein.“ Denn Zenita Komad gehört keiner institutionalisierten Religion an. Am ehesten würde sie sich vermutlich der jüdischen Tradition – und da wiederum der Kabbala verpflichtet fühlen. Damit ist sie einfach auch eine Vertreterin einer neuen Generation, die sich ihre Koordinaten für das Göttliche aus verschiedenen „Sinnangeboten“ und Weisheitstanks zusammenstellt. Das ist per se nicht nur nicht schlecht, sondern im Falle Komads sogar höchst eindrucksvoll. In den Fernsehsendungen, die der ORF zu diesen Ausstellungen bereits ausgestrahlt hat – zuletzt in der „Orientierung“ – bringt Komad diese vorhin erwähnte Korrektur auf den Punkt: „Das Göttliche wohnt nicht statisch in Tempeln oder Kirchen, sondern es geschieht in der Beziehung zwischen den Menschen.“ Deswegen auch die so sichtbaren roten Seile. Die aber am Ende in der Schöpferhand zusammenlaufen, die alles menschliche Bemühen um den Frieden transzendiert. Diese Seile vernetzen somit auch uns, wenn wir die Räume dieser Schau „besuchen“. Dasselbe erlebt man im MMKK – Museum Moderner Kunst Kärnten in Klagenfurt, dessen noch größere Schau gleichzeitig (bis zum 19. Mai) zu sehen ist.

Forgiveness is the Key (H. Arendt)

I Love God
Einige der dort gezeigten Werke lassen Erinnerungen wach werden: an die erste Personale von Zenita Komad im KULTUM im Jahr 2012 – mit dem bis heute provokanten Titel: „I LOVE GOD“. Dabei entsprangen die Seile, die sich in der Folge in mehr als 1000 Metern auf das ganze Klosterareal verspannten, der Seite eines riesigen „Gotteshemds“, das den Schriftzug trug: „Gott ist NICHT nichts“.

Vernetzung
Das Thema Vernetzung freilich ist geblieben, es bildet auch einen Schlüssel zum Verständnis der beiden aktuellen großen Ausstellungen: In Graz etwa vernetzt Komad historische Personen und deren Friedensansätze, sie vernetzt Bücher zum Frieden (die als Tischbeine für einen „Friedenstisch“ fungieren), sie vernetzt einen überdimensionalen Bleistift zu einer „Lebensblume“ an der Decke. Und schließlich vernetzt sie besonders helle biblische Texte zu einem „Diamanten“: Darauf stehen Sätze aus dem Propheten Jesaja: „KEINE NATION WIRD GEGEN EINE ANDERE DAS SCHWERT ERHEBEN, UND SIE WERDEN DEN KRIEG NICHT MEHR LERNEN“ (Jes 2,4). Und einige Schritte weiter, auf der „Friedensuhr“: „UND ES WIRD FRIEDEN SEIN UNTER SEINEN ZWEIGEN.“

 Zenita Komad: „Liebe deinen Nächsten“, Ortstafelschild im Minoritenkloster. | Foto: MMKK
  • Zenita Komad: „Liebe deinen Nächsten“, Ortstafelschild im Minoritenkloster.
  • Foto: MMKK
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Messianischer Friede
Diese Sehnsucht nach dem „messianischen Frieden“ hat sich seither weitererzählt, in Zeiten von Kriegen und Zerstörung, aber auch in religiösen Erzählungen, dass einmal jemand kommen wird, der diesen Vernichtungen ein Ende setzt. Im Christentum ist das Jesus Christus mit der Botschaft vom „Reich Gottes“, im Judentum ist es der noch kommende Messias, für andere ist es einfach die Idee von Erlösung. Der Weg zu diesem neuen Ort des Friedens wäre klar: Das zweisprachige Ortstafelschild im Hof des Minoritenklosters könnte deutlicher nicht sein. Die Realität sieht bekanntlich anders aus: Mehrere Haufen aus Steinen kehren wieder. Sie erinnern an Zerstörung, sie gemahnen aber auch – im jüdischen Kontext – an Erinnerung auf Friedhöfen. Ihre endgültige Auflösung finden sie freilich im letzten Objektbild im Südflügel: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“.
Noch eine „Fußnote“ sei erwähnt: Der künstlerische Gastbeitrag des deutschen Künstlers Thomas Palme, eines genialen Zeichners, aktualisiert Auschwitz und die aktuellen Dramen in Israel. Paul Celan und Jean Amery, zwei große (jüdische) Sprachkünstler des 20. Jahrhunderts, die sich – als Überlebende der Shoah – aus Verzweiflung das Leben nahmen, sind der Ausgangspunkt: Auf Jiddisch ist „GOT HOT FARBAHALTN SAJN PONEM“ auf die Wand geschrieben. Das heißt übersetzt: „und gott hat verborgen sein gesicht“.

Johannes Rauchenberger

Ausstellungen
Zenita Komad: Nie wieder Krieg!
KULTUM Graz, 3. 2.–26. 5. 2024
DI–SA 11–17 Uhr, SO 14–17 Uhr
www.kultum.at/zenita-komad

Zenita Komad: Der Krieg ist aus!
MMKK Klagenfurt, 7. 2.–19. 5. 2024

Installation MMKK Klagenfurt
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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