Mutworte - Christa Carina Kokol
Wenn frau liest

Foto: Neuhold

Chaos pur: Eine Frau sitzt lesend am Tisch. Die Kinder tragen dreckige Klamotten, der Hund zerfetzt die Socken des Hausherrn, der händeringend daneben steht … Zu sehen auf einer Schautafel im Erzherzog Johann-Museum Stainz. Diese vor rund 200 Jahren entstandene Grafik sollte einst mahnend vor Augen halten, dass Bildung von Frauen nur Unglück bringt.

Doch gerade daraus erstarkten mutige Gegenbewegungen, erklärt die Museumsführerin.

In einem Kalenderbuch des vorigen Jahrhunderts, noch fernab der „Me-Too“- Bewegung, steht die auto-biografische Erzählung eines Journalisten, seines Zeichens Doktor der Philosophie, glücklich verheiratet, zwei Kinder. Täglich besuchte er eine Imbissstube, wo ihn eine anziehende junge Frau bediente. Um der Alleinstehenden eine Freude zu machen – oder doch sich selbst? – schmeichelte der Mann mit seinen Fingern in ihrer Hand und strich ihr über den Oberarm. „Herr Doktor“, sprach die scheue Frau mit fester Stimme, „ich kennʼ Sie gut, aber bei einer anderen dürfen Sie das nicht machen. So machen es Männer, wenn sie von Frauen etwas wollen.“ Ob die junge Frau belesen war, ist nicht bekannt. Jedenfalls klug, achtsam und mutig.

Christa Carina Kokol in Dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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