Positionen - Christian Teissl
Freude, unverloren

Als ich noch ein Kind war, befiel mich in den ersten Jännertagen eine große, namenlose Traurigkeit. Dass die Weihnachtszeit, diese sehnsüchtig erwartete Festzeit, nun vorbei sein sollte, unwiderruflich vorbei, um erst in einem Jahr wiederzukehren, war für mich nur schwer zu ertragen.

Meine kindliche Wunsch- und Traumvorstellung, die Zeit könnte mit einem Mal nach rückwärts laufen, aus dem neuen Jahr könnte wieder das alte werden und gleich nach dem Dreikönigstag käme wieder der Heilige Abend, wurde leider niemals Wirklichkeit.

Solche Wünsche und Sehnsüchte hege ich heute nicht mehr, und das gibt mir zu denken. Bin ich denn schon so hoffnungslos, so unrettbar erwachsen geworden, dass ich das Kind in mir nicht mehr höre, dass ich seine Vorfreude und seinen Abschiedsschmerz nicht mehr spüre? Vielleicht … In der Schule des Lebens verlernt man vieles von dem, was man als Kind noch gekonnt hat, eines aber lernt man dafür mit den Jahren: sich zu erinnern und aus der Erinnerung wie aus einer Quelle zu schöpfen.

So bleibt jeder schöne Tag, jedes schöne Fest, ob nun einmalig oder alle Jahre wiederkehrend, unverloren im Gedächtnis aufgehoben und verwandelt sich dort in eine Freude, die bleibt.

Christian Teissl
teissl@mur.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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