Sein Vermächtnis
Pacem in terris. Vor 60 Jahren stellte Papst Johannes XXIII. mit dieser Enzyklika den Frieden in die Mitte päpstlicher Diplomatie.
Der Vorwurf „politischer Blauäugigkeit“ an die Adresse päpstlicher Friedenspolitik wird nicht erst gegen Papst Franziskus erhoben angesichts seiner Zurückhaltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Als Johannes XXIII. (1959–1963) am 11. April 1963 sein Lehrschreiben „Pacem in terris“ (Frieden auf Erden) zur Friedenspolitik veröffentlichte, musste ihn gar der „Osservatore Romano“ in Schutz nehmen.
Wenige Monate nach dem atomaren Abgrund der Kuba-Krise, als der Ost-West-Konflikt fast eskaliert wäre, sprach sich der Papst gegen den Rüstungswettlauf und für die Ächtung von Atomwaffen aus. Und er machte seinen Frieden mit der UNO und ihrer Erklärung der Menschenrechte.
Die pazifistische Linie im Bereich der Doktrin war bereits vorbereitet. Der ansonsten als konservativer Gralshüter der „Römischen Schule“ der katholischen Theologie geltende Kardinal Alfredo Ottaviani warb seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs für eine generelle Ächtung des Kriegs durch die Kirche. Doch bis zur Kuba-Krise galt der Dialog mit der Sowjetunion als undenkbar.
Erst der erfahrene Diplomat Johannes XXIII. überwand die antikommunistischen Vorbehalte seiner Vorgänger auf dem Parkett der Weltdiplomatie. Folgerichtig wendet sich seine Enzyklika „Pacem in terris“ erstmals nicht nur an die Katholiken, sondern an alle „Menschen guten Willens“. Sie ist wie sein Vermächtnis an die Menschheit.
Krieg unmöglich machen. Benedikt XV. bemühte sich im Ersten Weltkrieg ebenso vergeblich wie Pius XII. im Zweiten Weltkrieg, dem sinnlosen Töten Einhalt zu gebieten. Doch Johannes XXIII. wollte mehr: Der Krieg sollte nicht nur im Einzelfall verhindert, sondern im Atomzeitalter strukturell unmöglich werden. Krisenprävention heißt das heute.
Erstmals skizziert die Enzyklika eine gerechte politische und wirtschaftliche Weltordnung aus katholischer Sicht. Bislang waren die Menschenrechte als Ausgeburt von Revolution und Freimaurertum betrachtet worden.
Die Enzyklika gipfelt in der Forderung nach einer umfassenden globalen Autorität. Ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung war der Heilige Stuhl als ständiger Beobachter bei den Vereinten Nationen vertreten.
Der „gerechte Krieg“. Die traditionelle katholische Lehre vom „gerechten Krieg“ erschien Johannes XXIII. überholt: „Darum widerstrebt es in unserem Zeitalter, das sich rühmt, Atomzeitalter zu sein, der Vernunft, den Krieg noch als das geeignete Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte zu betrachten“, heißt es in der Enzyklika.
Bleibende Aktualität. 60 Jahre nach ihrer Veröffentlichung hat die Enzyklika nichts an Aktualität eingebüßt. An ihren Prinzipien orientieren sich seitdem die Päpste, mag es der westlichen Öffentlichkeit passen oder nicht. So traf die Verurteilung der Irak-Kriege oder der Interventionen in Syrien auf Widerstand in neokonservativen Kreisen diesseits und jenseits des Atlantiks. Der römische Pontifex kann aber als Friedensvermittler eine besondere Rolle spielen, vielleicht auch Franziskus angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Simon Kajan / Kathpress
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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