Stichwort: Einheit in Vielfalt
Das Beste aus vielen Welten

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Glaubst du das? Die Gebetswoche für die Einheit der Christen spürt den verbindenden Fundamenten des Glaubens nach.
Derzeit halten die Regierungsverhandlungen unser Land in Atem. Vor vier Jahren ist die türkis-grüne Koalition mit dem programmatischen Experiment angetreten, sich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt zu haben, sondern „das Beste aus beiden Welten“ zu verwirklichen. Wenige haben dem ungleichen Gespann zugetraut, eine volle Legislaturperiode durchzuhalten.
Nun hat diese Regierung trotz beträchtlicher interner Spannungen und einigem Personalverschleiß nicht nur das geschafft, sie ist bis heute – schon weit über den Wahltag hinaus – im Amt. Die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS sind hingegen krachend gescheitert, weil man sich eben darauf – neuerdings „Leuchtturmprojekte“ genannt – nicht einigen konnte und fundamentale ideologische Eckpfeiler sich als unverrückbar erwiesen haben.
Im Dialog der christlichen Kirchen geht es nicht gleich darum, eine gemeinsame Regierung zu finden. Und auch der Stolperstein einer Budgetkonsolidierung fällt hier weg. Die Grundfrage auf dem Weg zur Einheit stellt sich jedoch ähnlich: Wieviel Annäherung und Übereinstimmung braucht es? Wieviel Buntheit und Diversität können wir zulassen? Welche Glaubensinhalte, welche Strukturen und Riten sind unverzichtbar? Welche unterschiedlichen Ausdrucksformen kirchlichen Lebens betrachten wir als Bereicherung?
Zwischen Beliebigkeit und Martyrium
Bei den einheitsstiftenden Motiven lässt sich eine große Bandbreite ausmachen. Weit verbreitet ist hierzulande eine Ökumene der Gleichgültigkeit. Sehr vielen Christinnen und Christen, ganz gleich welcher Konfession, ist es egal, in welche Kirche sie nicht hineingehen. Die Schnittmenge ergibt sich aus der gemeinsamen Unkenntnis von Detailfragen des Glaubens. Oft höre ich den Standpunkt: Wir haben eh alle denselben Herrgott. Und beten könne man ja auch im Wald. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber etwas mehr an Verbindlichkeit und Teilhabe
wird es wohl brauchen, um eine Glaubensgemeinschaft zu bilden.
Am anderen Ende des Spektrums gibt es die Ökumene der Märtyrer. Menschen werden benachteiligt, gehasst, vertrieben, gefoltert oder ermordet – nicht, weil sie einer bestimmten Kirche angehören, sondern weil sie getaufte Christen sind. Nichts anderes als ihr Bekenntnis zu Jesus Christus ist der Stein des Anstoßes und zugleich ist die innere Verbundenheit mit ihm jene Lebensquelle, von der sie nicht abrücken können.
Angesichts solcher Lebenszeugnisse relativieren sich manche Diskussionen um theologische Feinheiten.
Die Einheit im Glauben ist jedoch kein nettes Bonusprogramm für die Christenheit, sondern ein Kernpunkt ihrer Mission. „Alle sollen eins sein“, betet Jesus beim Letzten Abendmahl (Joh 17,21), damit sie glaubwürdig den dreieinen Gott bezeugen können. Die christlichen Kirchen sind nicht für sich selbst da, sondern, um durch die Art und Weise, wie sie bei allen Verschiedenheiten um die Einheit ringen, ein Role Model und Werkzeug für die Einung, Versöhnung und Heiligung der Welt zu sein. Die Trennung zwischen den Kirchen bleibt daher eine schmerzende Wunde in dem einen Leib Christi, die sie in der Erfüllung ihres Auftrags beeinträchtigt.
Einheit, nicht Uniformität
Die ökumenische Bewegung hat sich auf das Ziel einer „Einheit in Vielfalt“ verständigt. Kardinal Kurt Koch, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, sagte zu mir: „Wir suchen die Einheit, aber keine Uniformität.“ Ein großes Problem auf dem Weg dorthin sieht er jedoch darin, dass die Vorstellung, was Einheit bedeutet, vom Kirchenverständnis abhängt. Und das sei in den einzelnen Konfessionen recht unterschiedlich: „Für die katholische Kirche besteht das ökumenische Ziel in der Einheit im Glauben, in den Sakramenten und in den Ämtern.“ Damit legt er die Latte freilich recht hoch.
Das Motto der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen lenkt den Blick auf das Gemeinsame und Verbindende, es wirft die Frage auf: „Glaubst du das?“ Im Johannesevangelium (Joh 11,26) richtet
Jesus diese Frage an Marta. Sie bezieht sich auf die Auferstehung. Der Glaube an die Auferstehung ist unumstritten das Fundament der christlichen Botschaft. Und das, was uns im Glauben eint, hat ein deutliches Übergewicht gegenüber dem Trennenden. Es nimmt uns also in die Pflicht.
Die Ökumene spricht von der „versöhnten Verschiedenheit“ als Perspektive. Das bedeutet: Wertschätzung des anderen und seiner Art, den Glauben auszudrücken, zu feiern und zu gestalten. Es geht nicht um gegenseitige Belehrung und Bekehrung, sondern darum, voneinander zu lernen. Was gibt es in der Tradition und Praxis der anderen zu entdecken, das uns selbst hilft, im Glauben zu wachsen?
Alfred Jokesch
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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