Interview - Franz Küberl
Damit die Zukunft schmeckt

Zukunft geht nur gemeinsam, erinnert Franz Küberl. Der Gemeinsamkeit diente im Februar ein Besuch aus der steirischen Diözese bei Partnern in Brasilien. Gemeinsam schmeckt die Zukunft vielleicht so gut wie der Caipirinha, der hier wie ein Heilmittel angeboten wird: sein Schnaps desinfiziert, sein Zucker stärkt, seine Limetten schenken gesunde Vitamine. | Foto: Neuhold
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  • Zukunft geht nur gemeinsam, erinnert Franz Küberl. Der Gemeinsamkeit diente im Februar ein Besuch aus der steirischen Diözese bei Partnern in Brasilien. Gemeinsam schmeckt die Zukunft vielleicht so gut wie der Caipirinha, der hier wie ein Heilmittel angeboten wird: sein Schnaps desinfiziert, sein Zucker stärkt, seine Limetten schenken gesunde Vitamine.
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Franz Küberl nimmt im Sonntagsblatt-Gespräch zu Herausforderungen für Gesellschaft und Kirche Stellung. Dazu unsere Artikelserie zum Buch „Zukunft muss nach Besserem schmecken“ (Seite 9).

Ein Anstoß für das Buch „Zukunft muss nach Besserem schmecken“ war
die Begründung einer Bäuerin für das Fernbleiben ihrer Tochter von der Kirche:
„Bei euch schmeckt man die Zukunft nicht.“ Gilt so ein Urteil nur für die Kirche?

Franz Küberl: Kirche und Gesellschaft sind kommunizierende Gefäße. Ihre Verantwortlichen müssen vermitteln können, wie Zukunft schmecken kann. Für die Kirche stelle ich mir die Frage: Haben die Gläubigen das Gefühl, die unterstützen mich in meiner Gläubigkeit, in meinem Leben?

Was macht den Umgang mit der Zukunft schwer?
Zukunft ist oft mit Angst verbunden.
Wir haben es uns in der jetzigen Situation bequem eingerichtet. Zukunft hat aber
mit Veränderung zu tun.
Und vor allem: Zukunft geht nur gemeinsam mit anderen.

Angesichts derzeitiger Krisen gibt es viel Kritik an politisch und kirchlich
Verantwortlichen. Ist diese berechtigt?

Mir scheint, es wird oft zu viel von den Autoritäten verlangt. Das führt zu einer permanenten Überforderung der Verantwortlichen. Es gibt ja nur unvollkommene Menschen. Die Generalüberforderung bringt sowohl die derzeit Verantwortlichen ins Wanken als auch den Nachwuchs an guten Verantwortlichen.
Es muss natürlich einen Grundrespekt gegenüber Autoritäten geben. Dann können wir über die Themen debattieren und vieles einfordern.

Betrifft diese Überforderung auch die Kirche und die Seelsorge?
Überforderung ist sicher auch eine Ursache für den Priestermangel. Wobei auch in Einstiegs- und Amtsbedingungen eine Überforderung liegen kann.
Ich selber habe meine kirchliche Prägung in einer Pfarre mitbekommen. Ich habe dort etwa gesehen, wie Jugend funktioniert. Die Pfarren wurden einmal als die seelsorglich und sozial größte Erfindung der Kirche bezeichnet.

Was ist die Aufgabe pfarrlicher Seelsorge?
Unterstützung der Gläubigen und Offenheit. Dazu müssen wir uns immer fragen: Sind die diözesanen Konzepte so ausgerichtet? Eine Seelsorgebürokratie wäre für mich wie ein Rückzug in die Sakristei. Der missionarische Auftrag ist eine Frage von Haltung und Leben und geht von Gesicht zu Gesicht.

Welche Erwartungen können wir für die Zukunft haben?
Wir stellen vielleicht zu große Ansprüche an die Zukunft. Konzepte von „Weltrettung“ sind mir suspekt, auch beim Klima.
Wir haben bezüglich der Pandemie in drei Jahren eigentlich viel geschafft. Wir brauchen große Ziele. Aber die Naherwartungen, dass alles möglichst schnell gehen muss, müssen wir herunterschrauben. Dieses „Weltrettungssyndrom“ stört mich. Aber was den menschengemachten Anteil an Krisen betrifft,
da müssen wir die Ärmel hochkrempeln, und da kann jeder und jede ein bisschen etwas tun.

Wir können derzeit viele materielle Krisen benennen. Aber haben wir uns nicht auch tiefer liegenden Krisen zu stellen?

Der Mensch steht nur auf zwei Füßen gut. Wir müssen materielle Krisen bewältigen, brauchen dafür aber auch Haltungen als Gerüst. Wir brauchen Brot zum Leben wie auch Brot für die Seele.
Viele Menschen stellen sich der Interessensfrage, aber nicht der Sinnfrage: Welche Werte tragen mich, welche gebe ich weiter?

Wir könnten Wohlstand neu definieren und um das Immaterielle ergänzen. Im materiellen Wohlstand könnten wir ruhig auch ein bisschen leiser treten. Und dazu kommt die Frage: Ist Wohlstand für alle Menschen zugänglich?
Bei der Caritas sind wir immer ausgerichtet auf materielle Nöte. Zugleich aber wird es geschätzt, dass wir auf Menschen zugehen und ihre Werte anerkennen.

Was können wir für die Zukunft tun?
Wir leben heute in erstaunlich guten Verhältnissen, weil vor uns viele Menschen trotz aller Widrigkeiten ihrer Zeit an eine bessere Zukunft geglaubt haben. Das wäre für heute eine neue Sicht des Generationenvertrags: Voraussetzungen schaffen, aus denen die nächste Generation besser leben kann. Widrige Umstände müssen sich natürlich verkleinern, aber das geht nicht aus dem Lehnstuhl heraus.

Christen finden da erstaunlich viele Mitstreiter in anderen Gruppen. Wie es Bischof Weber nannte: eine Koalition der Nachdenklichen.

Ein Zukunftswunsch an die Medien, die Kirche und die Gesellschaft …
Für die Medien: Widerspiegeln, was es an Debatten gibt. Wissens- und Erfahrungstransparenz. Keine missionarischen Attitüden.
Für die Kirche: Mehr Lockerheit bei Debatten über zu klärende Fragen. Konsequenz bei der Eindämmung von Missständen.
Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen begleiten. Das Gehäuse, der Auftritt der Kirche soll einladend sein.
Für Gesellschaft und Politik: Regierende werden mit Recht daran gemessen, ob es in aktuellen Fragen Lösungsansätze gibt, die für die Menschen Zukunftszuspruch sind. Und dass der Umgang der Politiker untereinander und der Bevölkerung mit den Politikern erkennen lässt, dass der Andere nicht Feind, sondern Mitmensch ist.

Interview: Herbert Messner


BUCHPRÄSENTATION

Franz Küberl
Zukunft muss nach Besserem schmecken
Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft

Franz Küberl im Gespräch mit der Autorin Andrea Sailer - Eintritt frei!

GRAZ, Freitag, 24. März 2023, 19.30 Uhr
Buchhandlung Moser, Am Eisernen Tor 1

Zukunft geht nur gemeinsam, erinnert Franz Küberl. Der Gemeinsamkeit diente im Februar ein Besuch aus der steirischen Diözese bei Partnern in Brasilien. Gemeinsam schmeckt die Zukunft vielleicht so gut wie der Caipirinha, der hier wie ein Heilmittel angeboten wird: sein Schnaps desinfiziert, sein Zucker stärkt, seine Limetten schenken gesunde Vitamine. | Foto: Neuhold
Gut schmecken ließ sich Franz Küberl die Suppe für den Familienfasttag. Im neuen Buch und in unserer Artikelserie geht es ihm um eine Zukunft, die schmeckt. | Foto: Neuhold
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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