Seelsorge
Von Herz zu Herz sprechen
Krankenhaus-Seelsorgerin Manuela Krtek erzählt zum Welttag der Kranken am 11. Februar vom Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit und was Menschen auch in Krankheit brauchen, wenn sie sich einsam fühlen.
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“ (Gen 2,18). Diesen Vers aus dem Buch Genesis stellt Papst Franziskus seinem Schreiben zum Welttag der Kranken in diesem Jahr voran. Nicht allein sein, in Beziehung zu anderen stehen also als Prämissen für ein gutes Leben. Es braucht den anderen Menschen. Es braucht ein Gegenüber. Wir sind soziale Wesen.
Nahrung für die Seele
Zuerst einmal: Es kann guttun, sich ab und zu für eine bestimmte Zeit zurückzuziehen, allein zu sein. Das Leben und sich selbst zu ordnen, wahrzunehmen, was gerade beschäftigt, welche Gefühle und Emotionen sich gerade melden, wo man im Leben aktuell steht. Im Alleinsein, in der Stille findet man zu sich selbst und zum eigenen inneren Kern, zur Mitte unseres Seins, zu Gott. Das Alleinsein kann also auch etwas sehr Wertvolles sein, das Leben bereichern.
Leo Tolstoi formuliert diese Erfahrung so: „Ein zeitweiliger Rückzug von allen Dingen des Lebens und Nachdenkens über das Göttliche ist für deine Seele eine ebenso notwendige Nahrung, wie es die materielle Nahrung für deinen Körper ist.“ Ab und zu allein sein, um sich dann wieder mit voller Aufmerksamkeit den Menschen zuzuwenden, mit ihnen in Beziehung zu treten.
Plötzlich allein
Situationen der Krankheit zwingen uns aber manchmal unfreiwillig und unvorbereitet – ganz plötzlich – zum Alleinsein. Der Rückzug, um andere zu schützen, die Forderung des Körpers nach mehr Ruhe und Schlaf, ein nötiger Aufenthalt im Krankenhaus – wir sind plötzlich von den Menschen, die uns sonst umgeben, getrennt, isoliert. Und es gibt viel Zeit, um nachzudenken. Dem eigenen Leben, der aktuellen Situation, Ängsten und Sorgen nachzuspüren. Sehr oft eine große Herausforderung und manchmal auch Überforderung.
Wenn Menschen fehlen, denen wir von unseren Ängsten und Sorgen erzählen können, entwickelt sich daraus sehr rasch die Erfahrung der Einsamkeit. Sie kann dadurch entstehen, dass wir Dinge, die uns wichtig erscheinen, für uns bedeutsam sind, nicht mitteilen können. Man kann aber auch zu zweit einsam sein. Wir fühlen uns unverstanden. Die Beziehungen, die wir zu anderen haben, ermöglichen uns nicht die Nähe und Tiefe, die wir uns wünschen würden. Die Erfahrung von Einsamkeit gehört zu unserem Leben.
Wo kann ich über meine Themen sprechen? Wer versteht mich? Wem kann ich vertrauen? Werde ich ausgelacht, wenn ich von mir und meinen Gedanken und Fragen erzähle? Wird mich der andere noch mögen und ernst nehmen, wenn ich mich öffne, mich zeige? Finde ich die richtigen Worte für das, was mich bewegt, was ich ausdrücken möchte? Jemandem das Herz zu eröffnen, seine intimsten oder auch wertvollsten Gedanken zu teilen, macht verletzlich und erfordert Mut. Es nicht tun zu können, kann aber einsamer machen.
Manchmal tut es einfach gut zu wissen, dass jemand für mich betet.
Mit Krankheit konfrontiert
Gerade die Konfrontation mit einer Erkrankung kann sehr existenzielle Fragen auslösen. Wie geht es mit mir weiter? Wie bedrohlich ist meine Situation? Werden die Ärzte mir helfen können? Wird die Operation gelingen? Werden die Schmerzen sich in den Griff bekommen lassen?
In solchen Situationen brauchen wir Menschen, die es schaffen, uns aus der Einsamkeit und Isolation zu holen. Es braucht Menschen mit einer hohen Aufmerksamkeit für die Situation des anderen, mit der Fähigkeit zur Wahrnehmung mit allen Sinnen. Eine Berührung, ein Wort, eine Geste, ausgehend von einer Haltung der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, können Nähe herstellen.
Ein Raum öffnet sich
Eine Begegnung ist wohl dann gelungen, wenn eine Verbindung zwischen Menschen entsteht. Wenn sich ein Raum öffnet, in dem frei über Ängste, Wünsche und Hoffnungen gesprochen werden kann. Gesehen und gehört, aber vor allem auch verstanden werden sind tiefe menschliche Sehnsüchte. Nähe und Begegnung findet auf verschiedenen Ebenen statt: Auf einer körperlichen, einer geistig-spirituellen und einer emotionalen. Eine Berührung, eine Umarmung, an der Hand gehalten zu werden kann guttun. Sichtbares und fühlbares Zeichen einer Verbindung zwischen zwei Menschen.
Manchmal tut es einfach gut zu wissen, dass jemand für mich betet. Sich getragen fühlen von dem Vertrauen auf die Begleitung Gottes in einer schweren Zeit kann Kraft, Trost und Zuversicht schenken und stiftet zwischen Menschen, die das füreinander tun, eine tiefe Nähe und Beziehung.
Tiefe Begegnung kann auch ohne Worte entstehen. Dann, wenn sie von Herz zu Herz stattfindet – Herzen miteinander kommunizieren. Es gibt auch ein Sich-Verstehen ohne Worte. Seien wir füreinander solche Menschen.
Menschen, die es schaffen, einander zu vertrauen und Vertrauen aufzubauen, einander Räume zu schenken, in denen Begegnung und Beziehung möglich ist, einander zu berühren, von Herz zu Herz zu sprechen.
Manuela Krtek
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Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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