Fastenserie, Teil 3
Ich besuche dich

- Wenn wir uns immer wieder etwas Zeit für eine Nachbarin/einen Nachbarn, einen Verwandten, einen Bekannten etc. nehmen, dann kann eine echte Kultur des Miteinanders entstehen. Die direkte Begegnung ist immer ein unmittelbar spürbares Zeichen der Nächstenliebe.
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In der Fastenserie greift „Kirche bunt“ heuer die sieben neuen Werke der Barmherzigkeit auf, die der deutsche Altbischof Joachim Wanke auf Grundlage der klassischen Werke der Barmherzigkeit, wie sie Jesus im Evangelium nach Matthäus nennt, neu formulierte. Persönlichkeiten aus der Diözese schreiben dazu ihre Gedanken. In der dritten Folge widmet sich Christiane Schalk, Koordinatorin der Krankenseelsorge in der Diözese St. Pölten, dem neuen Werk „Ich besuche dich“.
Kennen Sie das? Die Großfamilie kommt zu Besuch, Sie putzen, backen, kochen und am Ende sind Sie froh, dass alle wieder gegangen sind? Oder war es nicht vielmehr so, dass viele fröhliche Menschen zusammengekommen sind, die Kinder gemeinsam durch das Haus gelaufen sind, die Hausfrau sich über anerkennende Worte für den Kuchen freut, die Männer bei einem Glas Bier Neuigkeiten ausgetauscht haben und am Ende zwar alle müde, aber auch glücklich nach Hause gefahren sind? Wann waren Sie zuletzt bei den Nachbarn auf eine Tasse Kaffee oder ein Gläschen Wein?
Vielleicht ist das noch gar nicht lange her, oder dann doch schon einige Wochen. Heutzutage wird zwar viel kommuniziert, aber meist bewegen wir uns in der virtuellen Welt von Handy und Internet. Wenn ich an meine Kindheit denke, dann erinnere ich mich, dass fast jeden Tag jemand ins Haus kam, oft nur auf einen Kaffee und manchmal auch einen ganzen Nachmittag lang. Inzwischen bin ich froh, wenn ich eine Freundin jeden zweiten Samstag treffen kann.
Besuche in den Evangelien
In den Evangelien wird viel über Besuche gesprochen: Der Engel hat Maria besucht, Maria war drei Monate bei Elisabet zu Gast. Jesus hat häufig Menschen besucht, er hat ihnen zugehört, mit ihnen Freude und Leid geteilt, mit ihnen gegessen und gefeiert. Vermutlich war er ein sehr geselliger Mann, er war häufig zu Gast bei Freunden, aber auch bei Menschen wie dem Zöllner Zachäus. Er hat die Menschen in ihrer vertrauten Umgebung aufgesucht, wo sie sich sicher und geborgen fühlen. Dort konnten sie seine Botschaft besser begreifen. Aus diesen Besuchen ist unter anderem die Gemeinschaft entstanden, aus der nach Pfingsten die Kirche gewachsen ist.
Gehen wir auf jene zu, die nicht zu uns gehören. Sie gehören Gott, das sollte uns genügen.
Viele Menschen freuen sich auch heute über Besuch, nicht nur, aber auch kranke und pflegebedürftige Menschen. Ich erlebe häufig, dass ich bei solchen Besuchen reich beschenkt werde. Ich darf von der Lebenserfahrung des anderen lernen. Gar nicht so selten lachen wir, der Patient und ich, miteinander – ich habe einige der fröhlichsten Momente an Krankenbetten verbracht, d. h. ich bekomme bei diesen Besuchen immer sehr viel zurück.
Die Besuchskultur in unseren Pfarrgemeinden ist sehr kostbar
Wie steht es nun um die Besuchskultur in unseren Pfarrgemeinden? Schauen wir aufeinander? Bleiben wir in Kontakt? Im Schlussdokument der Weltsynode heißt es, eine synodale Kirche ist eine beziehungsorientierte Kirche. Wie steht es um die Beziehungen in unseren Familien und unserer Pfarre? Sind sie stärkend und einladend?
Weiters heißt es, es sollen diejenigen sichtbar gemacht werden, die lange unsichtbar waren. Achten wir auf die stillen, die unsichtbaren Menschen rund um uns? Gerade die Einsamen, die Kranken, die, die nicht mehr zum Gottesdienst kommen können, melden sich oft nicht selbstständig in der Pfarrkanzlei.
Papst Franziskus schreibt in der Bulle zum Heiligen Jahr, dass die Werke der Barmherzigkeit Werke der Hoffnung sind, die in den Herzen Dankbarkeit hervorrufen. Einen Kranken zu besuchen, ist ein solches Zeichen der Hoffnung. „Ich war krank, ihr habt mich besucht“, sagt Jesus (Mt 25). In diesem Sinn könnten wir das Motto des Heiligen Jahres „Pilger der Hoffnung“ auch in unseren Pfarren umsetzen.
Der Besuch schafft Gemeinschaft
Bischof Wanke meint zu seinen „Sieben Werken der Barmherzigkeit heute“: „Meine Erfahrung ist: Den anderen in seinem Zuhause aufsuchen ist besser, als darauf warten, dass er zu mir kommt. Der Besuch schafft Gemeinschaft. Er holt den anderen dort ab, wo er sich sicher und stark fühlt. Die Besuchskultur in unseren Pfarrgemeinden ist sehr kostbar. Lassen wir sie nicht abreißen! Gehen wir auch auf jene zu, die nicht zu uns gehören. Sie gehören Gott, das sollte uns genügen.“
In diesem Sinn möchte ich Sie ermutigen, ein Besuchsnetzwerk aufzubauen, wo wir auf unseren Nächsten, unsere Nächste schauen. Wir müssen dabei immer bedenken, dass unser Pfarrer, unsere Pastoralassistentinnen oder -assistenten oder auch der Sozialausschuss niemals alles alleine abdecken können. Aber wenn wir uns immer wieder etwas Zeit für einen Nachbarn, eine Verwandte, einen Bekannten etc. nehmen, dann kann eine echte Kultur des Miteinanders entstehen. Denn: Die direkte Begegnung ist immer auch ein unmittelbar spürbares Zeichen der Nächstenliebe und Gemeinschaft.
Gerade Seniorinnen und Senioren sind unverzichtbare Pfeiler in einer pfarrlichen Begegnungskultur.
Besonders ältere Menschen sind für dieses Netzwerk sehr wichtig: Sie haben häufig mehr Zeit als Frauen und Männer in der sogenannten „Rushhour des Lebens“ mitten im Familien- und Erwerbsleben. Deshalb sind gerade Seniorinnen und Senioren ein unverzichtbarer Pfeiler einer pfarrlichen Begegnungskultur. Ich muss dabei an meine Großmutter denken, die eines Tages begonnen hat, sich regelmäßig mit ihren früheren Schulkameradinnen zu treffen oder aber auch an zwei verwitwete Frauen, die gerne miteinander Kaffee trinken und sich so gegenseitig unterstützen.
Was aber, wenn Sie derzeit nicht in der Lage sind, jemanden zu besuchen? Vielleicht kommen Sie nicht mehr aus dem Haus oder Sie sind nicht gesund genug? Dann lassen Sie sich besuchen! Gibt es jemand, den Sie einladen könnten, vielleicht jemand aus der Familie oder Nachbarschaft? Haben Sie schon daran gedacht nachzufragen, ob es in Ihrer Pfarre einen Besuchsdienst gibt?
Zum Abschluss habe ich noch eine Bitte, gerade an diejenigen, die nicht mehr so mobil sind: Unterstützen Sie den pfarrlichen Besuchsdienst durch ihr Mitdenken und ihr Gebet! Dafür von Herzen ein Dankeschön und Vergelt’s Gott!
Autorin
Mag.a Christiane Schalk wohnt mit ihrer Familie in Böheimkirchen und arbeitet in der Diözese St. Pölten als Koordinatorin für Krankenseelsorge und Inklusive Seelsorge sowie auch als Seelsorgerin im Landesklinikum Lilienfeld.
Impulse
- Wann haben Sie zuletzt jemanden in Ihrem Umfeld – sei es in der Familie oder in Ihrer Pfarrgemeinde – besucht? Vielleicht jemanden, der krank, einsam oder gebrechlich ist?
- Was ist wichtig im Leben? Manchmal ist es gut, die Arbeit zu unterbrechen und sich Zeit zu nehmen für ein Gespräch: um den neuen Nachbarn kennenzulernen, mit der alten Dame von gegenüber zu plaudern oder unterwegs mit Bekannten Geschichten auszutauschen. Das Motto lautet: offen sein für Begegnungen und sich überraschen lassen.
- Sind Sie selber krank, gebrechlich, einsam? Gibt es jemanden aus Ihrem Umfeld, den Sie gerne einladen möchten? Oder haben Sie schon einmal in Ihrer Pfarre nachgefragt, ob es dort einen Besuchsdienst gibt?
- Oder einfach immer wieder die Stille suchen und in Gebet und Meditation Christus zu sich einladen.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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