Interview mit Prof. Christian Rutishauser
Ein Pilger hält sich Gott hin

- Prof. Christian Rutishauser ist Leiter des Instituts für Jüdisch-Christliche Forschung der Universität Luzern.
- Foto: Foto: C. Wolf SJ
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Im Interview mit „Kirche bunt“ spricht der Jesuit Pater Prof. Dr. theol. Christian M. Rutishauser SJ – Priester, Judaist und Theologe – über das Pilgern, Freiheit und Spiritualität.
Pater Rutishauser, das Heilige Jahr steht unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“. Was ist ein Pilger der Hoffnung?
P. Rutishauser: Wer pilgert, richtet sich auf Gott aus. Der Pilger gibt dem Leben Orientierung. Erwartungen und Zuversicht sind mit dem Aufbruch zu einem Pilgerort verbunden. Gerade wenn man zu Fuß geht, braucht es auch Vertrauen. Pilgern ist also in sich schon ein Ausdruck von Hoffnung. In biblischer Zeit sind die Menschen zu Pessach, Shavot und zum Laubhüttenfest nach Jerusalem gepilgert. Sie haben im Tempel ein Opfer dargebracht, um sich mit Gott zu verbinden. Pilgern heißt auf Hebräisch schlicht „Hinaufgehen“. So hat Martin Buber das unübersetzbare Pausenzeichen in den Psalmen treffend mit „Empor!“ übersetzt. Die Psalmen 120-134 tragen die Überschrift „Pilgerpsalmen“. Sie zeugen vom Aufbruch, vom Unterwegssein und enden mit dem nächtlichen Lobpreis im Tempel. Das ganze Leben wird in den Psalmen so vor Gott ausgesprochen und vor ihn gebracht.
Was macht das Pilgern mit den Menschen?
P. Rutishauser: Alles hängt von der inneren Einstellung und Ausrichtung ab. Zu Fuß pilgern ist ein Beten mit den Füßen und mit dem ganzen Leib. Die Anstrengung ist Ausdruck von Hingabe. Wichtig ist, sich dabei zu verschenken. Antworten und Hilfe können von Gott nicht erpresst werden. Nicht der Pilger mit seinen Anliegen, sondern Gott soll im Mittelpunkt stehen. Wer beim Pilgern aber nur einen Ausflug und eine Wanderung mit religiösem Anstrich macht, kann auch nicht viel geistliche Früchte erwarten. Ein großer Unterschied besteht zudem darin, ob jemand allein unterwegs ist oder in der Gruppe. Zusammen zu pilgern, führt zu einer starken Gemeinschaftserfahrung. Sie stärkt gerade heutzutage, wo sich glaubende Menschen im Alltag oft allein erfahren.
Gibt es auch einen inneren Pilgerweg, quasi der Seele zu Gott?
P. Rutishauser: Wer beim Gehen schweigt und wahrnimmt, wer innerlich betet, der kann eine innere Verwandlung erleben. Wer sich dem göttlichen Feuer nähert, wird von ihm geläutert. So zielt das äußere Pilgern auf einen geistlichen Prozess in der Seele ab. Pilgern ist wie ein Sakrament, bei dem das äußere, sichtbare Zeichen für eine innere, unsichtbare Wirklichkeit öffnen will. Innere Reinigung und Ordnung, Erleuchtung und Erkenntnisgewinn etc. können sich einstellen. Nichts kann dabei jedoch erzwungen werden. Alles ist Geschenk.
So ist der Pilgerweg ein Abbild für den gesamten Lebensweg. Es gibt Höhen und Tiefen, zuweilen fehlt die Motivation zum Gehen, manchmal ist Leichtigkeit und Freude da, es braucht aber auch Disziplin, Zeiten des Ausruhens gehören dazu, auch dass man sich einmal verläuft. Dabei führt Gott sanft und nur für den wahrnehmbar, der darauf achtet.
Spielt die innere Freiheit hier eine Rolle?
P. Rutishauser: Pilgern ist eine geistliche Übung. Innere Freiheit spielt dabei immer eine zentrale Rolle. Nur wer aus Freiheit und Liebe handelt, kann innerlich wachsen. Die Zeit des Pilgerns ist ein Verschenken von Zeit und von sich selbst. Der Pilger hält sich Gott hin und lässt Gott an sich wirken. Dabei kann man durchaus konkrete Bitten vor Gott bringen, ja sogar Gott bedrängen und mit ihm innerlich ringen. Doch immer: „Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe.“ Es geht darum, selbst nach dem Guten und der Gottesbeziehung zu suchen, aber immer zu wissen, dass Gott sich so zeigt, wie er es für gut befindet.
In den Psalmen heißt es: „Von deiner Liebe, HERR, ist erfüllt die Erde. Lehre mich deine Gesetze!“ (Ps 119,64).
Wie hängt der Weg zu Gott mit der Liebe zu ihm, seinen Geboten und der Freiheit zusammen?
P. Rutishauser: Gott lehrt, führt und begleitet den Menschen, weil er ihn liebt. Dabei nimmt er ihm Freiheit und Verantwortung nicht ab. Gott ist vielmehr wie ein Partner. „Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt“, heißt es im Talmud. Die Bibel spricht vom Bund Gottes und von seiner Treue. Auch seine Gesetze schenkt er aus Liebe. Sie sind Rechtleitung und Orientierung. Sie wollen zu mehr Leben führen. Dem Menschen fällt es oft schwer, diese Gesetze richtig zu verstehen, weil er zu oberflächlich oder zu kurzfristig denkt, weil er nur sich im Blick hat und nicht den Andern. Bei Gesetzen und Normen ist der Mensch eingeladen, sie situations- und menschengerecht umzusetzen, also so, dass sie für den Einzelnen, aber auch für die Gemeinschaft nachhaltig wirken. Dazu gehört immer Freiheit von und Freiheit zu etwas. Getragen muss alles von der Liebe sein.
Interview: Matthias Wunder
Vortrag: Pilger der Hoffnung
Fr., 11. April – 19 Uhr
Bildungshaus St. Hippolyt, Eybnerstraße 5, 3100 St. Pölten
Kosten: 15 €
Spiritueller Tag in der Fastenzeit: Freiheit kommt von Innen
Sa., 12. April – 9 Uhr bis 17.30 Uhr
Bildungshaus St. Hippolyt, Eybnerstraße 5, 3100 St. Pölten
Kosten: 50 € zzgl. Mittagessen.
Leitung: Prof. Christian Rutishauser SJ
Anmeldung: hiphaus@dsp.at oder Tel. 02742/352104
Ein Angebot in Kooperation mit dem Ressort Erwachsenenbildung der Diözese St. Pölten.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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