Gerichtsentscheidung in der Türkei
Die Hagia Sophia wird wieder Moschee
Am 10. Juli traf das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei die Entscheidung und machte den Weg zur Nutzung der weltberühmten Hagia Sophia in Istanbul als Moschee frei. Die Richter annullierten den seit den 1930-Jahren bestehenden Status eines Museums, stattdessen könne die Hagia Sophia, die zum Unesco-Welterbe zählt, wieder für religiöse Zeremonien genutzt werden.
Alle Proteste im Vorfeld haben nichts genützt: So hatte die Unesco die Türkei zu Gesprächen aufgefordert: Jegliche Änderung müsse vorher mitgeteilt und gegebenenfalls überprüft werden. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I. hatte sich gegen eine Statusveränderung ausgesprochen: Die Hagia Sophia sei eines der bedeutendsten Baudenkmäler der menschlichen Zivilisation und gehöre nicht bloß ihren unmittelbaren Eignern, sondern „der ganzen Menschheit“.
„Göttliche Weisheit“
Die Hagia Sophia („Göttliche Weisheit“) wurde im Jahr 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und war die größte Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen wurde sie 1453 zur Moschee und mit Minaretten versehen. Republikgründer Mustafa Kemal „Atatürk“ machte sie 1934 zu einem Museum. Spätestens seit 2004 versuchte eine nationalistische Vereinigung für Denkmalschutz, die Hagia Sophia wieder als islamisches Gotteshaus zu nutzen, scheiterte damit jedoch wiederholt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan forcierte zuletzt vehement eine Umwidmung und bezeichnete den von Republikgründer Mustafa Kemal „Atatürk“ 1934 getroffenen Beschluss für den Museumsstatus als „großen Fehler“. Die säkulare türkische Opposition, Russland und die USA sowie die Europäische Union hatten schon im Vorfeld gegen eine Nutzung als Moschee protestiert.
Am 24. Juli soll in dem Gotteshaus in Istanbul wieder das islamische liturgische Freitagsgebet gehalten werden. Die Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts der Türkei löste weltweite Proteste aus. Griechenlands Präsidentin Katerina Sakellaropoulou sprach von einem „zutiefst provokanten Akt gegen die internationale Gemeinschaft“. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borell erinnerte die Türkei daran, dass sie sich als Gründungsmitglied der Allianz der Zivilisationen zur „Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs und zur Pflege von Toleranz und Koexistenz“ verpflichtet habe. Der Ökumenische Weltkirchenrat in Genf äußerte in einem Brief an Erdogan die Sorge, dass die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee Bemühungen zum interreligiösen Dialog untergraben könne. Frankreichs Außenminister Jean-Yes Le Drian bedauerte die Entscheidung, die einen symbolischen Akt der modernen und säkularen Türkei in Frage stelle. Der russisch-orthodoxe Außenamtschef Hilarion nannte den Schritt einen „Schlag für die Weltorthodoxie, denn für alle orthodoxen Christen auf der ganzen Welt ist die Hagia Sophia so ein Symbol wie der Petersdom in Rom für Katholiken“.
Dass es aus dem Vatikan zunächst keine Reaktion gab, sorgte teils für scharfe Kritik. Am Sonntag, 12. Juli, äußerte sich Papst Franziskus nach seinem Angelus-Gebet. Im Zusammenhang mit dem Sonntag des Meeres, den die katholische Kirche immer am zweiten Sonntag im Juli begeht, sagte der Papst: „Und das Meer trägt meine Gedanken etwas weiter weg – nach Istanbul: Ich denke an die Heilige Sophia und es schmerzt mich sehr.“
Für den Vatikan und den Papst bedeutet die Situation wohl eine diplomatische Herausforderung: So gilt es u. a. an die in der Türkei lebenden Christen, darunter zahlreiche Katholiken, zu denken. Die Situation für sie hatte sich in den letzten Jahren, um es vorsichtig zu formulieren, sehr instabil dargestellt. Auf eine weitere „Sorge“ wies der Generalsekretär der österreichischen Hilfsorganisation „Christen in Not“, Elmar Kuhn, hin: „Es ist zu befürchten, dass nun die christlichen Mosaiken in der Kuppel der Hagia Sophia endgültig zerstört werden. Hatte Sultan Mehmed II. nach der Eroberung Konstantinopels 1453 die christlichen Mosaiken durch Putz verdeckt, so ist nach dem Vorbild der Bilderstürmerei des IS zu befürchten, dass nun die Mosaiken selbst zerstört werden. Keinesfalls können diese sichtbar bleiben, weil ansonsten den Vorschriften der bilderlosen Moschee – spätestens ab dem 8. Jahrhundert ist das Bilderverbot im Islam ausnahmslos verankert – nicht Genüge getan werden kann.“
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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