Klaus Egger erinnert an Reinhold Stecher
Im Rückspiegel der Zeit
Am 22. Dezember 1921 wäre Reinhold Stecher 100 Jahre alt geworden. Klaus Egger war über Jahrzehnte einer seiner engsten priesterlichen Weggefährten. Für den Tiroler Sonntag hält er dankbar Rückschau.
Es wird in unserem Land wohl nur wenig Menschen geben, die auch Jahre nach ihrem Tod noch so präsent sind wie unser Bischof Reinhold. Wo sein Name fällt, da beginnt man Geschichten zu erzählen, da spricht man vielleicht von der neuesten Weihnachtsbriefmarke, vom neuesten Tyrolia-Lesebuch „Herz ist Trumpf“, von der Auktion seiner Bilder, von den „Kleinschriften“ im Tiroler Sonntag und vielem anderen mehr.
Persönliche Begegnungen.
Mir war es geschenkt, „unserem Bischof“ in so manchen Aufgabenbereichern (Jugendarbeit, Katholischer Tiroler Lehrerverein, Religionspädagogik) zu folgen und mit ihm im Priesterseminar und dann in der Diözesanleitung zusammenzuarbeiten. Im Rückblich auf dieses Miteinander kann ich nur sagen: es war auf Grund der damaligen Kirchen- und Personalsituation sicher eine sehr herausfordernde, aber auch hoch interessante Zeit. Bischof Reinhold hat seinen engsten Mitarbeitern im Bischofsrat und auch anderen Gremien – gemäß seinem Wahlspruch: „Dienen und Vertrauen“ – ein ganz hohes Maß an Vertrauen geschenkt und so dazu beigetragen, dass jeder von uns sein Bestes gegeben hat. Dazu kam noch, dass in all diesen Sitzungen auch der Humor des Bischofs seinen Platz hatte. Gar manch angespannte Situation hat sich mit einem kräftigen allgemeinen Lachen aufgelöst. Bei der letzten Sitzung des Bischofsrates hat einer aus unserem Kreis dankend und im Namen von uns allen gesagt: „Reinhold, es war eine festliche Zeit!“ Es war vor allem deshalb für uns und die ganze Diözese eine gute und auch schöne Zeit, weil bei allen Schwierigkeiten, die es natürlich auch gegeben hat, atmosphärisch immer in der Luft lag: „Herz ist Trumpf“.
Bischof von Innsbruck.
Bald nach seiner Ernennung und Bischofsweihe wurde er einmal gefragt, ob man ihn mit „Exzellenz“ ansprechen soll. Da gab er zur Antwort: „Besser wohl nicht, denn sonst könnte es zur Verwechslung mit seinem Fahrrad mit der Marke „Exzellent“ kommen. Damit war alles klar: für die einen der Bischof Stecher oder für andere Bischof Reinhold.Als er sein Amt antrat, brachte er keinerlei große Pastoralvorstellungen für die Zeit „nach Rusch“ mit, sondern hat sich in der Diözese zunächst einfach einmal umgesehen. Dieser Blick auf die konkrete Situation und vor allem die sehr persönlich durchgeführten Pfarrvisitationen haben ihm ein sehr realistisches Bild unserer Diözese vermittelt: Gespräche mit den Verantwortlichen der Pfarreien und auch Gemeinden, Begegnungen mit Vereinen, Schulklassen und Kindergärten, aber auch die persönlichen Besuche bei allen bettlägerig Erkrankten. So konnte er seinem bischöflichen Wirken ein unverwechselbares Gesicht geben, geerdet in seiner Heimat und getragen von einem tiefen Glauben.
Von den großen Problemen, mit denen er sich in der eigenen Diözese und darüber hinaus konfrontiert sah, möchte ich bloß einige stichwortartig benennen:
Eine deutliche Zunahme der Entfremdung der Menschen von der Kirche – durch eine rigide Sexualmoral der Kirche und den Umgang mit Geschieden-Wiederverheirateten befördert – und ein damit verbundener Rückgang der Teilnehmer an Gottesdiensten und noch mehr im Beichtstuhl: Das hat unserem Bischof weh getan und er hat dies auch mit klaren Worten zum Ausdruck gebracht und nach verantwortbaren Lösungen gesucht.
Eine weitere Wunde für Bischof Reinhold war die zunehmende Überalterung des Klerus und die von Jahr zu Jahr sinkende Anzahl von Priesteramtskandidaten. Es gab jetzt plötzlich Pfarreien ohne Priester. Eine Auflösung von Pfarren war für unseren Bischof kein Thema, denn er wusste um die Bedeutung von einem persönlichen Mittelpunkt und Ansprechpartner in der Gemeinde. Priester aus dem Ausland, Diakone und Pastoralassistenten (Männer und Frauen) haben nun wichtige Aufgaben bis hin zum Pfarrkurator und zur Pfarrkuratorin übernommen.
Um die sakramentale Grundstruktur und die sonntägliche Eucharistiefeier in den Gemeinden zu sichern, wurde sein Ruf nach „viri probati“, nach Zulassung von verheirateten, in Familie und Beruf bewährten Männern immer lauter. Ebenso war es für Bischof Reinhold geradezu unerträglich, wenn das Sakrament der Krankensalbung auf Grund des Priestermangels nicht mehr gespendet werden konnte. Und davon hat er nicht bloß im kleinen Kreis gesprochen, sondern bei den zuständigen Stellen in Rom.
Weit über die Grenzen von Innsbruck hinaus wurde er am Ende seiner Bischofszeit bekannt durch einen mit dem Stempel „Vertraulich“ bezeichneten Brief über die „Unbarmherzigkeit Roms“ im Umgang mit Priestern, die ihr Amt zurückgelegt hatten. Es wird wohl keinen Diözesanbischof geben, der einen solchen „Brief-Tsunami“ ausgelöst hat, weit über die Grenzen von Österreich und auch über Europa hinaus. Reinhold Stecher war einst als Vertreter der österreichischen Bischofskonferenz bei einer Weltsynode in Rom. Das Thema damals: „Buße und Vergebung“. In der Kirche sollte Gottes Barmherzigkeit erlebbar werden. Das war ein Herzensanliegen in all dem bischöflichem und seelsorglichen Wirken unseres Bischofs. Wie hätte er sich wohl gefreut, von Papst Franziskus zu hören: „Barmherzigkeit ist der Name Gottes“.
Auf nächtlichem Weg zur Waldrast.
Zum Abschluss dieser kleinen Erinnerungsreihe zum 100. Geburtstag von Reinhold Stecher möchte ich noch einen Blick auf seine nächtlichen Wanderungen nach Maria Waldrast richten. Ich war nie dabei, aber eines weiß ich sicher: alles, was ihn als Bischof und Mensch bewegt hat, war auf diesen Pilgerwegen mit dabei und wurde in die morgendliche Eucharistiefeier mit hineingenommen. So konnte und kann er – trotz und in allem – Hoffnung und Zuversicht ausstrahlen, gemäß dem Psalmwort: Die aber zum Herrn aufschauen,
deren Antlitz wird strahlen. (Psalm 34, 6)
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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