7. Sonntag im Jahreskreis | 20. Februar 2022
Kommentar

Wer liebt, misst nicht; wer misst, liebt nicht

Ist es nicht eine maßlose Überforderung, was Jesus hier als das spezifisch christliche Ethos vorstellt? Seine Feinde zu lieben, jemandem zu geben, von dem man keine Gegenleistung erhoffen kann, Gutes zu tun, wo kein Dank zu erwarten ist und kein eigener Vorteil herausspringt – solche Haltungen werden oft als Naivität abgetan, mit denen man es nicht weit bringe im Leben. Dafür werde man nur ausgenützt. Doch haben die allgemein anerkannten Maßstäbe der Vergeltung und Abschreckung, der Gier und des Egoismus uns als Menschheit weiter gebracht? Braucht nicht gerade unsere heutige Welt dringend neue ethische Perspektiven?

Vielleicht sind diese Worte Jesu auch gar nicht als Forderungen zu verstehen, sondern als Beispiele dafür, was er seinen Jüngern alles zutraut. Vielleicht sind es keine Gebote, die es zu erfüllen gilt, sondern Möglichkeiten, die sich einem Menschen auftun, der sich – wie es bei Jesus der Fall ist – von Gott bedingungslos geliebt weiß. Denn diese Gewissheit verwandelt den Menschen, sie befreit ihn aus einer Haltung der Berechnung, des Zählens, Vergleichens und Abwiegens.

Liebe ist maßlos. Das gehört zu ihrem Wesen. Wer liebt, misst nicht, zählt nicht und rechnet nicht Soll und Haben gegeneinander auf. Liebe überwindet die Angst um das eigene Leben, weil ihr das Wohl des anderen wertvoller erscheint. Liebe urteilt nicht über andere, sondern respektiert sie und hilft ihnen, selbst in der Liebe zu wachsen. Weil wir als Menschen die Kraft der göttlichen Liebe in uns tragen, traut es Jesus uns zu, ebenso zu handeln.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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