Steirische Missionare | Sr. Monika Miriam | Teil 19
Zeuginnen der Zärtlichkeit
Es ist ein regnerischer Abend, als ich in eine Seitenstraße im Bezirk Jakomini einbiege. Die Wohnhäuser der Siedlung sind auffällig orange, und der erleuchtete Eingang ist nicht zu verfehlen. Unter den vielen Klingelschildern sticht eines ins Auge. „Kleine Schwester Jesu“ steht dort. „Das hat die Hausverwaltung so draufgeschrieben“, erzählt mir Kleine Schwester (KS) Monika Miriam später.
Warum klein?
„Wir leben einfach. Wir teilen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der kleinen Leute“, erklärt KS Sabine. „Unser Vorbild für dieses Leben ist Jesus, das Kind in der Krippe von Betlehem und sein unerkanntes Leben in Nazaret. Er hat sich zum kleinen Bruder aller Menschen gemacht.“
Die Ordensgemeinschaft der Kleinen Schwestern Jesu gehört zur geistlichen Familie von Charles de Foucauld. Sie geht zurück auf die Französin Madeleine Hutin, die sich bereits als junge Frau stark von den Schriften und vom Leben Charles de Foucaulds angesprochen fühlte. Nach seinem Vorbild brach sie 1936 in die Sahara auf, um mit einer Gruppe muslimischer Nomaden zu leben. 1939 legte sie als erste Kleine Schwester von Jesus die zeitliche Profess ab. 1964 wurde die Gemeinschaft von der Kirche als Orden anerkannt. Heute gibt es weltweit etwa 1100 Kleine Schwestern, die in 55 verschiedenen Ländern in kleinen Gemeinschaften von zumindest drei Schwestern leben. In der Steiermark gab es bereits eine Schwesterngemeinschaft in Mariazell, die im Jahr 2010 geschlossen wurde. 2019 haben sich die Kleinen Schwestern Jesu wieder in unserer Diözese niedergelassen – diesmal in Graz.
Eine Kleine Schwester Jesu werden
Der Weg in die Gemeinschaft ähnelt jenem bei klassischen Orden. Drei Besonderheiten der Ausbildung bei den Kleinen Schwestern Jesu zählt KS Monika auf: „Alle Schwestern machen zwei Jahre Theologiestudium zur intellektuellen Verwurzelung ihres Glaubens. Die Schwestern aus aller Welt, die ein Jahr vor den ewigen Gelübden stehen, leben neun Monate zusammen an einem Ort, und es steht allen die Möglichkeit der Erfahrung der Wüste und des Lebens in einem muslimischen Land offen“ – so wie Charles de Foucauld gelebt hat. Sein Leben ist Inspiration für die konkrete Gestalt der Ordensgemeinschaft.
Der Orden betreibt keine Krankenhäuser oder Schulen und ist nicht in der herkömmlichen Pastoral tätig. Die Sendung liegt in der täglichen Begegnung mit den Mitmenschen am Wohnort, am Arbeitsplatz und überall. Mitten im banalen Alltag Gottes Gegenwart suchen und finden.
Ein Tag im Leben einer Kleinen Schwester
„Unsere Tage sind sehr unterschiedlich“, klärt mich KS Sabine auf, „je nachdem welcher Arbeit eine jede von uns nachgeht.“
Die Gemeinschaft trägt sich nur durch die Gehälter der einzelnen Schwestern. KS Sabine arbeitet für eine Putzfirma und KS Monika als Rote-Nasen-Clownin. KS Marianne ist pensionierte Krankenschwester, kümmert sich um den Haushalt und hat Zeit für Kontakt mit den Nachbarn.
„Die Gemeinschaft ist weltweit untereinander solidarisch. Was in den einzelnen Schwesterngemeinschaften an Geld übrig bleibt, kommt in eine Solidaritätskassa, aus der wieder andere schöpfen können, die gerade bedürftig sind“, erklärt KS Sabine, „es wird nichts angespart, und wir besitzen keine Immobilien. Wir leben Gütergemeinschaft.“
Neben der Arbeit sind Austausch und gemeinsames Gebet wichtig. Die Gemeinschaft ist ein kontemplativer Orden. Eine Stunde eucharistische Anbetung in Stille und die heilige Messe bilden das Zentrum des Tages. Das ist Quelle und Auftrag zugleich. „Aber Kontemplation ist mehr als eine Stunde Anbetung“, betont KS Sabine, „Kontem-plation ist: Zeugnis von der Zärtlichkeit Gottes geben.“
Mitten unter den Menschen
Die Kleinen Schwestern haben sich bewusst für eine einkommensschwächere und multikulturelle Wohngegend in Graz entschieden. Um ihre Nachbarn kennen zu lernen, luden die drei zum „warm-up-coffee“ in ihr Wohnzimmer.
„Wichtig ist die Achtsamkeit für die Begegnungen, die sich ergeben – im Stiegenhaus, am Gehsteig, im Hof“, beschreibt KS Sabine ihr Anliegen. „Und man darf nicht alles haben“, ergänzt KS Monika lachend und erzählt vom Ausborgen eines Mixers bei einer Nachbarin. So entsteht Miteinander.
Kurz bevor ich mich zum Gehen wende, läutet die Türglocke. Die Schwestern erwarten heute keinen Besuch mehr. KS Monika geht, um zu öffnen. Nach einigen Minuten kommt sie allein wieder zurück. Ich bin neugierig und frage, wer an der Tür war. „Die junge Nachbarin von oben“, antwortet KS Monika lächelnd, „sie wollte mir ihre neuen Stiefel zeigen.“
Wir lachen, und ich spüre, wie es von Herzen kommt – die Freude hier in Graz, in dieser Wohnsiedlung, bei den Menschen um sie herum langsam anzukommen und zu tun, wovon sie mir so eindrücklich erzählt haben: das Leben miteinander teilen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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