UNO Nachhaltigkeitsziele | Teil 8
Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
KENNENLERNEN
Was ist das Ziel?
Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.
Wie ist die Ausgangslage?
Rund die Hälfte der Weltbevölkerung lebt noch immer von etwa zwei US-Dollar pro Tag bei einer globalen Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent, und an vielen Orten garantiert ein Arbeitsplatz nicht, der Armut zu entkommen. Dieser langsame und ungleichmäßige Fortschritt erfordert ein Umdenken und eine Neuausrichtung unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik zur Beseitigung der Armut.
Warum müssen wir etwas ändern?
Ein anhaltender Mangel an menschenwürdigen Arbeitsmöglichkeiten und unzureichende Investitionen führen
zu einer Erosion des sozialen Grundvertrags der demokratischen Gesellschaften: Alle müssen am Fortschritt teilhaben. Auch wenn die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des realen BIP pro Kopf weltweit von Jahr zu Jahr zunimmt, verlangsamt sich die Wachstumsrate vieler Entwicklungsländer. Mit sinkender Arbeitsproduktivität und steigenden Arbeitslosenzahlen sinkt der Lebensstandard aufgrund niedrigerer Löhne.
Was muss getan werden?
Ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erfordert, dass die Gesellschaften die Bedingungen schaffen, in denen
Menschen qualitativ hochwertige Arbeitsplätze erlangen, die die Wirtschaft stimulieren und die Umwelt nicht belasten. Der Zugang zu Finanzdienstleistungen muss verbessert werden, um Einkommen zu verwalten, Vermögen aufzubauen und produktive Investitionen zu tätigen. Verstärkte Verpflichtungen in den Bereichen Handel, Banken und Landwirtschaft werden dazu beitragen, die Arbeits-losigkeit in den am stärksten verarmten Regionen der Welt zu senken.
Ziele für nachhaltige Entwicklung
HINSCHAUEN
Anyana* arbeitet für zwei bis drei Euro die Stunde, und das 24 Stunden am Tag. Arbeitsrechtlichen Schutz hat sie keinen. Anyana sieht einer Pension in Armut entgegen. Von ihrer Arbeit profitieren dagegen die inzwischen knapp tausend Agenturen in Österreich, die Pflegedienste an Familien vermitteln, deren Angehörige zu Hause betreut werden sollen.
Fast nur Frauen arbeiten in der 24-Stunden-Pflege, die meisten stammen aus Osteuropa. Dieses System nutzt systematisch aus, dass Frauen dazu sozialisiert werden, für andere zu sorgen, und das gratis oder für beschämend geringe Einkommen. Oft beinhalten die Verträge zwischen Agenturen und Betreuerinnen sittenwidrige Klauseln. Dabei ist das Arbeitsverhältnis in der 24-Stunden-Betreuung schon als solches dubios.
Denn die Betreuerinnen müssen als Ein-Personen-Unternehmen agieren.
Das ist freilich bloße Fiktion.
Arbeitsbedingungen wie diese sind in Österreich keine Seltenheit. Prekäre,
ausbeuterische Arbeitsverhältnisse prägen auch die Situation vieler Menschen, die im Baugewerbe, im Tourismus, als SaisonarbeiterInnen in der Landwirtschaft oder im Einzelhandel arbeiten.
Solche Arbeit ist nicht menschenwürdig – und eines reichen Landes wie Österreich unwürdig. Historisch wurden Arbeitsverhältnisse vor allem von sozialen Bewegungen verbessert. Nur wenn sich die arbeitenden Menschen organisieren, können sie ihre Rechte gewerkschaftlich durchsetzen. Doch ist das für Menschen aus anderen Ländern in Österreich oft besonders schwer. Wirtschaftswachstum braucht es dafür nicht. Die Arbeits-
produktivität in Österreich ist so hoch, dass sowohl eine Arbeitszeitverkürzung
als auch höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen möglich sind.
*fiktiver Name, Informationen basierend auf ig24.at
Andreas Exner ist Ökologe, Politikwissenschaftler und Operativer Leiter des RCE Graz-Styria – Zentrum für nachhaltige Gesellschaftstransformation.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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