Mein Südsudan-Tagebuch | Teil 02
Es trifft wieder die am meisten Geschundenen
Am 27. Mai nachmittags fahren wir ins IDP-Camp (Lager für intern vertriebene Personen, Internally Displaced Persons) in Juba. 8000 Binnenflüchtlinge leben eng zusammengepfercht; die Hütten aus verschiedensten Abfallmaterialien zusammengebaut, mit UN-Planen abgedeckt. Es gibt einen zentralen Versammlungsplatz und einige Gassen, die durch die Baracken führen. Eine große Nahrungsmittellieferung der Caritas Steiermark wird verteilt: Säcke mit Weizenmehl und Bohnen sowie 50-Liter-Kanister mit Palmöl, finanziert durch Spenden aus unserer Diözese in Höhe von 15.000 Euro
Für die Verteilung müssen sich die Menschen in Gruppen je nach Stammeszugehörigkeit anstellen, um Konflikte zu vermeiden. Im Lager finden sich Vertreter aller verfeindeten Stämme wieder. Der brutale Bürgerkrieg machte sie alle gleichermaßen zu Vertriebenen. Hauptsächlich sind es Frauen und Kinder, die Männer sind entweder in den Kämpfen ums Leben gekommen oder kümmern sich irgendwo um die Kuhherden, die ihren eigentlichen Besitz darstellen.
Schwer erträglich für mich: Die Apathie und „Müdigkeit“ einiger Jugendlicher, die auf unsere Versuche, Kontakt aufzunehmen, nicht reagieren, schreckt mich. Mir fällt nur das Wort Erschöpfung ein und noch anderes: Frust, Gewalttraumata, Hoffnungslosigkeit und innere Leere. Ein Gewitter unterbricht jäh unseren Besuch. Leider hält es nur kurz an, es sollte um diese Jahreszeit viel mehr regnen – wie sonst sind die Monate bis zur nächsten Regenperiode zu bewältigen? Die Veränderung des Klimas macht sich deutlich bemerkbar, es trifft wieder einmal zuerst die Zonen der ohnehin schon geschundenen Bevölkerung. Das Lager, das wir besucht haben, ist nur eines von vielen. Ein kleines.
Die Prominenten in Kunstleder-Sofas
28. Mai, Sonntag. In der Kathedrale von Juba, die der hl. Therese von Lisieux geweiht ist, gibt es drei Gottesdienste: die Frühmesse auf Bari, der Stammessprache der größten Bevölkerungsgruppe von Juba; um 10 Uhr die Messe auf Arabisch, wunderschöne Gesänge, die wir teilweise noch mitbekommen – ein faszinierendes Erlebnis, weil wir mit Arabisch immer den Islam verbinden; und dann die hl. Messe in englischer Sprache. Ganz vorne in Kunstleder-Sofas die Prominenten der Stadt. Der Vizepräsident ist hier, mit polizeilicher und militärischer Begleitung ins Kirchenareal eingefahren. Der Weihbischof erinnert mich an Dom Helder Camara, seine Predigt wird zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Mittagessen am Ufer des Weißen Nil. Ein nettes Restaurant, bemüht touristisch ausgelegt, wenn auch wenig Gäste. Trotz der vielen Insekten eine angenehme Situation. Der Blick auf den ruhigen, breiten Fluss, nur ein paar Kanuboote sind unterwegs, wird zu einem Blick auf eine der wichtigsten Lebensadern des nordöstlichen Afrika, an der über viele tausend Jahre hinweg Kulturen entstanden und auch wieder zugrunde gegangen sind.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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