Reformationsjubiläum. Serie zum Lutherjahr 2017 | Teil 03
Die Freiheit eines Christenmenschen
Die Evangelische Kirche versteht sich in besonderer Weise als „Kirche der Freiheit“. Freiheit ist ein ganz zentraler Grundwert ihres Glaubensverständnisses. Es misst dem Gewissen des Einzelnen eine große Bedeutung bei und traut dem Menschen ein hohes Maß an eigenem Urteilsvermögen zu. Freiheit darf aber keineswegs mit Beliebigkeit verwechselt werden, sie ist vielmehr untrennbar mit persönlicher Verantwortung verbunden. Keine Freiheit ohne Verantwortung, aber auch keine Verantwortung ohne Freiheit. Denn begründungsbedürftig ist letztlich nicht das Erlaubte, sondern das Verbotene.
Seine bahnbrechenden theologischen Erkenntnisse verdankt Luther im Wesentlichen übrigens dem Apostel Paulus.
Das mag damit zusammenhängen, dass die Biographien der beiden Männer einige Parallelen aufweisen. Nach einer Phase der sehr strengen gesetzlichen Glaubensauslegung hatten beide später einschneidende Befreiungs-Erlebnisse. Das bedeutete eine völlige Umkrempelung ihrer bisherigen Lebensentwürfe und die Befreiung aus dem Druck religiöser Zwanghaftigkeit. So sind Paulus und Luther zu herausragenden Theologen der Freiheit geworden. Intensiver als viele andere haben sie darüber reflektiert, dass die Grundrichtung des Glaubens an Jesus Christus nicht eine unterdrückende, sondern eine befreiende ist.
Bereits im Jahr 1520 widmet Luther diesem Thema eine eigene Schrift: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Er stellt dem Ganzen zwei paradoxe Leitsätze voran. Zum einen: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan!“ – Und zum zweiten: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan!“ Luther unterscheidet dabei zwischen dem „inneren, geistlichen Menschen“, der frei ist, weil er sich die Seligkeit nicht verdienen muss – und dem „äußeren, leiblichen Menschen“, der sich aus freien Stücken zum „dienstbaren Knecht“ der Nächstenliebe macht. Denn natürlich sind der menschlichen Freiheit dort Grenzen gesetzt, wo sie die Freiheit Anderer einschränken würde. Und in Bezug auf die Nächstenliebe sollten Christen sich nicht scheuen, anderen gerne in Liebe zu dienen.
Das ist von bleibender Aktualität. Weil wir nicht abhängig sind von irdischen Zwängen und Klischees, sind wir frei, gegebenenfalls auch einmal Unkonventionelles auszuprobieren oder Zeichen echter Zivilcourage zu setzen. Der frühere Bundespräsident Heinz Fischer hat es einmal so ausgedrückt: „Für mich ist ein Protestant ein Mensch, der nur den Herrgott über sich hat und sonst niemanden.“ Auch er setzt evangelische Freiheit nicht mit hemmungslosem Ausleben des Lustprinzips gleich, sondern betont die persönliche Verantwortung vor Gott.
Man mag sich dabei auch an Franz Kafka erinnern, der sinngemäß einmal gesagt hat: „Ich finde die protestantische Freiheit großartig! Aber ich fürchte, ich selber könnte nie im Leben evangelisch sein, denn diese ständige Gewissenserforschung wär’ mir auf Dauer einfach zu anstrengend.“ Tatsächlich ist evangelischer Glaube – ernst genommen – nicht unbedingt die „leichtere“ Variante des Christentums. Trotzdem werden die meisten Evangelischen ihre Glaubensfreiheit gegen nichts in der Welt eintauschen wollen.
Hermann Miklas
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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