Sonntagsblatt+plus | KONTRAPUNKTE
Kleben für das Klima
Wir werfen einen Blick auf Klima-Aktivismus: Karl Steininger vom Grazer Wegener Center erklärt, warum er sich hinter Klima-AktivistInnen stellt. Die Grazer Buddhistin und Klima-Aktivistin Stella Klell beschreibt, wie sie ihr Engagement mit ihrem Glauben vereinbart.
Was heißt Verantwortung?
„Klimakleber“ – auf dem Weg zum Wort oder Unwort des Jahres? So werden sie genannt und von manchen geschimpft: junge Menschen, die sich auf Straßen kleben, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Für manche ist das übertriebene Schikane, anderen geht es noch lange nicht weit genug. WissenschaftlerInnen bestätigen die Dringlichkeit hinter dem Klima-Aktivismus. Was heißt in diesem Kontext Verantwortung übernehmen? Für die junge Buddhistin Stella Klell ist es der Aktivismus. Auf die Straße geklebt hat sie sich (noch) nicht. Der Wissenschaftler Karl Steininger stellt sich hinter „Klimakleber“ – denn die Zeit drängt.
In einer solchen Welt braucht es Klima-Aktivismus.
Karl W. Steininger
Professor für Klimaökonomik und nachhaltige Transition und Leiter des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz.
Können in einer repräsentativen Demokratie die gewählten VertreterInnen immer wissen, was die Bevölkerung wirklich will? Schwerlich. Betreffend Klima ist zudem das Wissen über die Folgen, Handlungsmöglichkeiten und -erfordernisse unterschiedlich ausgeprägt: in der Bevölkerung, aber auch in der Politik (Stichwort: Kanzler-Rede). Erhöhtes Bewusstsein über die Erderhitzung verändert zwar oft noch nicht das eigene Verhalten, ist aber grundlegend für die Akzeptanz von Klimapolitik. Dieses Bewusstsein zu fördern und Maßnahmen zur Umsetzung vorzubereiten, ist somit klare Aufgabe von PolitikerInnen, die zum Ziel haben, das für die Zukunft Notwendige möglich zu machen. Von diesen PolitikerInnen gibt es leider immer weniger, und mehr von jenen, die lediglich das heute schon Mögliche umsetzen. In einer solchen Welt braucht es Klima-Aktivismus.
Die Sorgen sind berechtigt
Denn die Sorgen der Klima-AktivistInnen sind berechtigt, wie die WissenschafterInnen von Scientists for Future klar bestätigen. Und ohne die Aktivitäten von Fridays for Future im Jahr 2019 hätten wir in Österreich vielleicht keine klima-fokussierte Regierungsbeteiligung. Sollen WissenschafterInnen selbst am Klima-Aktivismus teilnehmen? Manche KollegInnen wollen sich – für mich nachvollziehbar – von Aktivismus fernhalten, um für alle sichtbar (und besser) ausschließlich ihrer Rolle als Faktenbereitsteller nachzukommen. Für mich selbst überwiegt jedoch unsere Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, das, was wir herausgefunden haben, so klar wie möglich zu kommunizieren. Und als Wissenschafter, Vater und Christ deutlich zu bezeugen: Es ist höchste Zeit zu handeln.
Voll Wut und Frust kann man nicht hoffen, etwas positiv zu verändern.
Stella Klell
engagiert sich im buddhistischen Zentrum „She Drup Ling Graz“ und setzt sich bei Extinction Rebellion
und Religions for Future für die Umwelt ein.
Im Mahayana-Buddhismus ist die altruistische Motivation Grundlage unserer spirituellen Praxis. Das heißt: Wir kultivieren Tugend, um anderen Lebewesen besser von Nutzen sein zu können. Gleichzeitig sind wir anderen von Nutzen, um den eigenen Geist zu transformieren. In diesem Rahmen engagiere ich mich im Klimaaktivismus und helfe sogar bei Aktionen des zivilen Ungehorsams mit. Anfangs war ich diesbezüglich unsicher, da Gewaltfreiheit und Ethik die wichtigsten Säulen in meinem Glauben und meiner persönlichen Überzeugung sind. Glücklicherweise ist Gewaltfreiheit auch bei Klimabewegungen wie „Die Letzte Generation“ und „Extinction Rebellion“ ein Prinzip. Überzeugt hat mich schließlich folgende Überlegung: Wenn ich in der Zukunft von unserer heutigen Situation im Geschichtsunterricht lernen würde, wäre ich froh um Menschen, die sich so mutig und unübersehbar für das Klima einsetzen. Ist es dann nicht meine Verantwortung, jetzt dasselbe zu tun?
Gier und Selbstbezogenheit überwinden
Dabei ist mir am wichtigsten, nicht voller Wut und Frust auf die Straße zu gehen. Von negativen Emotionen übermannt, kann man nicht hoffen, positive Veränderung anzustoßen. Ein Buch von Zen-Meister und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh hat mich hier sehr inspiriert. Er zeigt darin auf, wie sich eine achtsame und mitfühlende Haltung im Handeln ausdrückt. Als Buddhistin vertraue ich auf das positive Potenzial aller Wesen. Ich bin überzeugt, dass es uns möglich ist, kurzsichtige Gier und Selbstbezogenheit zu überwinden – sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.