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Gesetz lässt Wogen hochgehen

Das EU-Renaturierungsgesetz, das am 17. Juni auch mit der Stimme von Leonore Gewessler, Österreichs Umweltministerin, beschlossen wurde, sorgt für Diskussionen. Umwelt-Bischof Alois Schwarz spricht sich für durchdachte Gesetze aus. Pater Maurus Kocher ortet Gefahren.

Hilfreich oder hinderlich?
Das EU-Renaturierungsgesetz sieht vor, dass alle Mitgliedsländer in einem konkret festgelegten Zeitplan dafür sorgen, dass zerstörte oder beschädigte Teile der Natur wiederhergestellt werden. Das betrifft z. B. Moore, Feuchtgebiete, Flusssysteme, Wiesen und Wälder. Nationale Wiederherstellungspläne sollen es erleichtern, auf naturräumliche Eigenarten, typische Bewirtschaftungsmuster und Ähnliches einzugehen.
Viele jubeln dem Gesetz zu, da sie der Meinung sind, es braucht Vorgaben von ganz oben, damit etwas geschieht. Andere sehen Gefahren der Über-regulierung. Vielleicht liegt die Wahrheit, wie so oft, irgendwo in der Mitte?

Die Aufmerksamkeit für die Schöpfung darf nicht zum Streitthema werden.

Bischof Alois Schwarz

ist Bischof der Diözese St. Pölten und in der Österreichischen Bischofskonferenz u. a. Referatsbischof für die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit.

Derzeit erleben wir, dass es in manchen Regionen in Österreich, Überschwemmungen gibt, große Naturkatastrophen, dass Hänge abrutschen … Wir merken, unsere Umwelt, die Natur, die Schöpfung leidet.Da ist es mir ganz wichtig, als Bischof, der in der Bischofskonferenz die Verantwortung für das Thema Umwelt wachhalten soll, dass wir uns über diese Frage so austauschen, dass es mit Wertschätzung geschieht. Dass wir die achten, die in der Landwirtschaft arbeiten, auf den Feldern stehen, im Wald unterwegs sind. Dass wir gleichzeitig aber auch schauen, dass die Menschen in der Stadt genug Lebensmittel haben. In Österreich befinden wir uns in vielerlei Hinsicht auf einem guten Weg: z. B. haben wir den EU-weit höchsten Anteil an Bio-Bauernhöfen und die Waldfläche hat in den letzten zehn Jahren täglich um sechs Hektar zugenommen.

Gemeinsam gut in die Zukunft führen
Sorgen um Konsequenzen von zu wenig ganzheitlich verfassten Verordnungen sind berechtigt. Es stellt sich die Frage, ob nicht prinzipiell über das Maß an Verordnungen zu reflektieren sei. Wir brauchen ein neues Miteinander für das Leben in unserem Land, damit die Aufmerksamkeit für die Schöpfung, für die Natur, für die Umwelt, nicht zu einem Streitthema wird, über Verordnungen, Gesetze, Vorgaben ..., sondern, dass wir Freude haben, in einem so schönen Land wie Österreich leben zu dürfen. Wir haben hier ein Erbe übernommen, das eigentlich sehr, sehr schön ist und wir werden es gut in die Zukunft führen – im Miteinander und in der gemeinsamen Sorge für unsere Schöpfung.
Statement zum Renaturierungsgesetz/Instagram bzw. alois-schwarz.at

Dorthin zurückzukommen, wo wir vor Generationen waren, ist illusorisch.

Pater Maurus Kocher, OSB.,

ist Forstamtsleiter des Stiftes Göttweig/NÖ und Vertreter der Ordensgemeinschaften im Vorstand der Land- und Forstbetriebe Österreich.

Nachhaltiges Wirtschaften und die Bewahrung der Schöpfung sind zentrale Anliegen der Ordensgemeinschaften in Österreich. Wir in der Wachau leben seit tausend Jahren in einer Kulturlandschaft, wo jedes Grundstück seit Jahrhunderten teils intensiv bewirtschaftet wird – besonders in dem für die Region typischen Wein- und Obstbau. Und es ist illusorisch von dieser Kulturlandschaft wieder dorthin zurückzukommen, wo wir vor vielen Generationen waren. Auf geringerer Fläche, bei gleichzeitig vorgeschriebener Reduktion von Pestiziden (wie es im Renaturierungsgesetz vorgesehen ist, Anm. d. Red.) ausreichend landwirtschaftliche Güter zu produzieren, ist unmöglich. Wir wollen ja auch Österreich aus eigener Kraft versorgen. Und das wird damit massiv bedroht.

Bedrohliche Überregulierung
Die im Gesetz vorgeschriebene Renaturierung von Flüssen und die Wiedervernässung von Mooren ist an sich begrüßenswert, doch nicht durchdacht und in den Konsequenzen bedrohlich. Die Trockenlegung von Sumpfland war über Jahrhunderte hindurch eine sehr mühsam erreichte Kultivierungsleistung. Viele dieser Grundstücke sind bebaut. Da wohnen Menschen darauf. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit hier Absiedlungen in Erwägung zu ziehen.
Außerdem sind die Dynamiken des Klimawandels, insbesondere im Bezug auf die Forstwirtschaft, nicht ausreichend berücksichtigt. Denn im Gegensatz zu den im Gesetz vorgeschriebenen Maßnahmen, muss der Wald durch klimafitte Baumarten in Zukunft ergänzt werden.
Interview in „Religion aktuell“, Ö1 am Di., 18.06.2024; oe1.orf.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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