Kunst und Kirche
K und K
Kirche und Kunst haben viel gemeinsam. Sie arbeiten geschwisterlich im Dienst am Menschen.
In seiner Predigt bei der Eröffnung der Kulturhauptstadt/Region Salzkammergut in Bad Ischl (21. Jänner 2024) sieht Bischof Hermann Glettler viele Gemeinsamkeiten von Kultur und Glaube.
Erfreulicherweise hat sich die Kirche hier vor Ort in das Programm der Kulturhauptstadt eingemischt. Mit einem ansprechenden Programm – kreisend um die bei Weitem nicht selbstverständliche Lebensressource Wasser. Gratulation dazu!
Geschwister
Glaube und Kultur, Kirche und Kunst sind Geschwister. Den Kampf gegen die Banalisierung des Lebens und gegen die Übergriffigkeit einer materialistischen Auffassung unseres Daseins führen sie gemeinsam. Eine gemeinsame Notwehr gegen den rein „technokratischen Zugriff“ auf unsere Welt, wie es Papst Franziskus nennt, der wiederholt von einer „Kultur der Begegnung“ und einer „Kultur des Dialogs“ spricht. Ich möchte drei gemeinsame Aufträge der Geschwister Kunst und Kirche benennen.Kunst und Glaube
provozieren
eine Entscheidung
Schwerarbeit Prophetie – Kunst der kritischen Intervention
Wie wir wissen, wurde Jerusalem 587 v. Chr. von den Chaldäern zerstört und die überlebende Restbevölkerung ins Exil deportiert. Der Prophet Jona ging in die Megastadt Ninive hinein und forderte zur Umkehr auf. Und tatsächlich hat die Bevölkerung von Ninive auf das prophetisch-herausfordernde Wort reagiert und sich sofort bekehrt. Die Jona-Geschichte ist eine prophetische Ansage an uns. Sind wir zu einem Wandel bereit, zu einem Hören auf Gott und zu einer echten Umkehr unserer Lebensstile zugunsten einer größeren Achtsamkeit und Gerechtigkeit? Oder wollen wir den Wohlstandspfad einer unstillbaren Gier fortsetzen – die Unkultur einer „Wegwerfgesellschaft“, wie es Papst Franziskus benennt?
„Kunst kommt von Künden“ sagte Joseph Beuys, und nicht bloß von einer technischen Beherrschung visueller Ausdrucksmittel. Kunst ist Ansage. Kunst hat einen prophetischen Auftrag.
Ebenso provokant ist der Glaube an den lebendigen Gott. Er bricht die irrige Einbildung, dass wir die souveränen Herren unseres Lebens wären. Kunst und Glaube müssen produktiv verwirren, gerade weil sie eine Wahrheits-Zumutung sind. Das tut nicht selten weh, sind wir doch in unsere eingespielten Verhaltensweisen und Traditionen verliebt und „weis oiwei scho so woa“ – zitiert Katharina Cibulka in ihrer feministischen Bildinstallation die Einheimischen.
Aber wie geht Umkehr? Letzlich nur mit einer großen Portion Entschlossenheit, Offenheit des Herzens und der Bereitschaft zu einem selbstkritischen „Denk Dich neu!“. Den ersten Kampf müssen wir meist mit der eigenen Bequemlichkeit führen. Jesus ist in seiner Ansage klar: „Kehrt um!“ Kann man es deutlicher und prägnanter formulieren? Kunst und Glaube führen jedenfalls in die Krise, provozieren eine Entscheidung.
Frohbotschaft gegen Gewalt – Kunst formuliert Alternativen
Jesus beginnt unmittelbar nach der Gefangennahme des Vorläufers Johannes mit seiner Verkündigung. Das ist der Ausgangspunkt. Er kommt in das nervöse und politisch aufgeschaukelte Galiläa, wo die Massen verzweifelt, zornig und bereit zum Aufstand sind. Die Systemwut ist groß. Jesus stellt der Versuchung zur Gewalt sein Evangelium entgegen. „Glaubt an das Evangelium!“ Glaubt an die größeren Möglichkeiten Gottes und an die Befreiung des Menschen von allen Mächten, die ins Unheil treiben. Glaubt an die Vergebung! Glaubt an einen Gott, der seine Pläne nicht wie ein weltlicher Despot durchsetzt!
Kunst und Glaube bringen die Sehnsucht nach Einheit zum Schwingen.
Wir müssen von Neuem der Kraft des Evangeliums Raum geben – und nicht den verwirrenden Stimmen, die auf Gewalt setzen, auf die „Vernichtung des Gegners“, und sei es nur verbal. Als das Markusevangelium im Jahr 70 n. Chr. niedergeschrieben wurde, war Jerusalem, ebenso eine Kulturhauptstadt, von den Römern bereits dem Erdboden gleichgemacht. Der galiläische Guerillakrieg gegen die Weltmacht Rom hat in der totalen Zerstörung der Heiligen Stadt gemündet. Verstehen wir jetzt die Brisanz?
Geben wir doch den Kräften der Zerstörung keinen Raum, auch nicht der Resignation vor vermeintlichen Sachzwängen. Bräuchte es nicht längst eine neue, ernsthafte Friedensethik? Friedensschulen anstelle von Vernichtungs- und Auslöschungshysterien?! Kann eine europäische Kulturhauptstadt dazu einen Beitrag leisten?
Qualitätsvolle Kunst öffnet immer neue Optionen, formuliert Alternativen, führt aus den Sackgassen scheinbarer „Lösungen“ heraus. Oft nur exemplarisch, modellhaft und im Modus von Poesie. Aber dennoch. Wirkliche Kunst setzt frei. Im Sudhaus beschäftigten sich einige Installationen mit der Sorge um die Aufrechterhaltung von Zyklen und den fragilen Balancen in der Natur. Sie formulieren die Verletzlichkeit der Schöpfung. Sehr deutlich als Grundbotschaft: Der Ausweg ist Empathie, der Ausweg ist Reduktion, der Ausweg ist Achtsamkeit.
Berufung zum Dienst – Kunst der solidarischen Vernetzung
Kunst verbindet, Kultur verbindet, weil sie uns die Sehnsucht nach Einheit und Zugehörigkeit zum Schwingen bringt. Ich erinnere mich an eine temporäre Kunstintervention von Michael Kienzer in der Kirche St. Andrä in Graz. Anlässlich der Einweihung der neuen Synagoge im Jahr 2000 hat er – mit dem Auftrag das Verhältnis von Judentum und Christentum visuell anzudenken – im Kirchenschiff zwei alte Luster ineinander verheddert, also zwei Leuchtkörper zu einem Lichtknäuel verbunden. Man wusste nicht, gleicht diese Verschlungenheit einem lebensbedrohlichen Kampf oder einer Begattung, dem Versuch der Auslöschung des Anderen oder einer liebevollen Befruchtung. Sehr ambivalent.
So ist Kunst. Mit dieser Mehrdeutigkeit kommen wir ins Spiel. Sind wir bereit, uns zu vernetzen, dem Anderen mit seinen andersartigen Überzeugungen im eigenen Denken und Empfinden Raum zu geben und damit der Polarisierung entgegenzu wirken? Ich denke an die Initiative „Friedensort Kalvarienberg Bad Ischl“. Es geht um eine Reinigung unseres Bildgedächtnisses von allen diskriminierenden, in diesem Fall antisemitischen Spuren.
Als Jesus am See von Galiläa entlang ging, sah er die Fischer, die ihre Netze reinigten, pflegten und reparierten. Und er rief sie ohne Umschweife von dieser Netzarbeit weg, um sie zu „Menschenfischern“ zu machen, zu Netzwerkern für eine neue Gesellschaft, frei von Unterdrückung und Gewalt, die immer Ausdruck fundamentaler Lebensverfehlungen sind.
Gott, der Vater aller Menschen, der in Jesus sein barmherziges Wesen geoffenbart hat, verbindet uns. Kunst appelliert an das Menschliche in uns, stärkt unsere empathischen Gene und den Geist. Dafür ist eine tägliche Herzensbildung notwendig – und von Zeit zu Zeit wohl auch ein Event wie jetzt hier im Salzkammergut.
Kirchliche Projekte + Initiativen
Auf dem Programm der „Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl/Salzkammergut 2024“ beteiligt sind auch die Pfarren des Steirischen Salzkammergutes. Insgesamt gibt es 15 kirchliche Projekte und Initiativen, die in oberösterreichischen und steirischen Pfarren verortet sind und teils über Länder- und Diözesangrenzen hinweggehen. Zudem gibt es überpfarrliche regionale Projekte sowie Kooperationen zwischen Pfarren und anderen Projektträgern wie Caritas oder Katholische Jugend.
Zu den kirchlichen Projekten zählt auch ein „Wasserpilger“-Weg mit fünf Etappen von Roitham am Traunfall bis Bad Aussee.
In der Langen Nacht der Kirchen am 8. Juni 2024 ist eine gemeinsame Aktion aller Pfarren im Seelsorgeraum Steirisches Salzkammergut geplant, am 23. Juni findet ein ökumenischer Gottesdienst für die Region Ausseerland in Bad Aussee statt, der auf Servus TV übertragen wird.
Infos: dioezese-linz.at/salzkammergut2024
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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