Positionen - Alois Strohmaier
Wo die verschütteten Wurzeln sind
Der Jesuitenpater Georg Sporschill engagiert sich seit vielen Jahren leidenschaftlich in der Aufgabe, sogenannte Straßenkinder in ein menschenwürdiges Leben zu führen. Junge Österreicher, die einen Sozialberuf ergreifen wollen, bewarben sich beim Pater. Sie wollten ein Sozialjahr bei ihm absolvieren, um ein wenig seine Praxis im Umgang mit den Straßenkindern zu studieren. In einem Auswahlgespräch fragte Sporschill die jungen Leute: „Ist es dir klar, dass du in Rumänien oder Moldawien die Sprache lernen und manche Unannehmlichkeiten auf dich nehmen musst?“
Die Bewerber ihrerseits fragten den Pater: „Muss ich bei euch in die Kirche gehen?“ Und sie gestanden, wie fremd ihnen Religion und Kirche seien. Doch P. Sporschill versicherte ihnen, sie müssten nicht beten und in die Kirche gehen …
Während des sozialen Einsatzes geschah dann Erstaunliches: Früher oder später wurden die jungen Österreicher von ihren Schützlingen, den Straßenkindern, an der Hand genommen und in die Kapelle geführt. Längst ihnen ans Herz gewachsen, konnten die Österreicher nicht mehr anders, als nach langer Zeit mit diesen Kindern wieder die Hände falten und beten. Und die meisten erkannten ihre eigenen – oft verschütteten – religiösen Wurzeln.
„Die Menschen schauen immer von Gott fort. Sie suchen ihn im Licht, das immer kälter und schärfer wird, oben. Und Gott wartet anderswo – wartet – ganz am Grund von allem. Tief. Wo die Wurzeln sind. Wo es arm ist und dunkel.“ (Rainer Maria Rilke)
Alois Strohmaier
Autor:Ingrid Hohl aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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