Wie kann der Papst Kirchen verbinden?
Der Vatikan versucht, das Papstamt neu zu bestimmen.
Grundlage dafür ist der ökumenische Dialog seit 1995.
Am 13. Juni veröffentlichte das Vatikan-Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen mit Erlaubnis von Papst Franziskus das Studiendokument „Der Bischof von Rom“ mit dem Untertitel „Primat und Synodalität in den ökumenischen Gesprächen und den Antworten auf die Enzyklika ‚Ut unum sint‘. Ein Studiendokument“.
Das Dokument fasst die ungefähr 30 Antworten der verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften auf die Enzyklika „Ut unum sint“ (Dass sie eins seien, 1995) zusammen. Dazu kommen noch weitere 50 Dokumente der ökumenischen Dialoge. Papst Johannes Paul II. hatte mit dieser Enzyklika eingeladen, „mit mir einen brüderlichen, geduldigen Dialog aufzunehmen, bei dem wir jenseits fruchtloser Polemiken einander anhören könnten, wobei wir einzig und allein den Willen Christi für seine Kirche im Sinne haben“.
Welche Rolle der Papst spielt
Das neue Studiendokument verfolgt das Ziel, eine sachliche Zusammenstellung der Entwicklungen zum Dienst der Einheit des Bischofs von Rom zu liefern. Am Schluss bietet es einen Vorschlag, wie der Primat (also die Vorrangstellung des Papstes im weltweiten Bischofskollegium und vor den Oberhäuptern anderer christlicher Kirchen) im 21. Jahrhundert ausgeübt werden könnte. Der Vorschlag verarbeitet die wichtigsten Anregungen und Dialoge zum Dienst der Einheit des Bischofs von Rom.
Es ist an der Zeit
Dass das Dokument jetzt erscheint, ist nicht zufällig. Das Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen sah im 25-Jahr-Jubiläum der Enzyklika „Ut unum sint“ im Jahr 2020 und im synodalen Prozess für die 16. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode (2021–2024) die Gelegenheit, die Diskussion dieses wichtigen Themas neu zu beleben. Obendrein sind seit 2001 sowohl weitere päpstliche Schreiben als auch wichtige Dokumente von Dialogkommissionen zum Thema des Primates im Dienste der Einheit erschienen. Darüber hinaus bietet Papst Franziskus neue Perspektiven zur synodalen Ausübung des Primates. „Eine ‚Ernte der Früchte‘ dieser Entwicklungen und ökumenischen Reflexionen zum Bischof von Rom, zum Primat und zur Synodalität schien an der Zeit und könnte zu einem erneuerten Interesse an der Einheit der Christen beitragen“, so steht es im neuen Studiendokument. Das Dokument macht gleichzeitig deutlich, dass es weder Zusammenfassung des katholischen Lehramtes zum Thema noch katholische Antwort auf die ökumenischen Reflexionen ist. Es will die bisherigen Früchte der ökumenischen Bemühungen zusammentragen.
Vier praktische Vorschläge
Die Erwartungen, die sich mit dem Dokument verbinden könnten, finden sich im Abschnitt „Einige praktische Vorschläge“. Die vier Vorschläge sind eine Einladung zur Reflexion, „sodass ein erneuertes Verständnis und eine erneuerte Ausübung des päpstlichen Primates zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen können“.
Erster Vorschlag: Neues Verständnis
Der erste Vorschlag beschäftigt sich mit den Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils (1870) zum Thema Autorität und Primat. Er regt eine Katholische „Neurezeption“, „Neuinterpretation“, „offizielle Interpretation“, einen „aktualisierten Kommentar“ oder sogar eine „Neuformulierung“ an. Die Idee dazu gründe darin, dass diese Lehren stark vom historischen Kontext geprägt sind. Daher müsse die ursprüngliche Absicht neu verstanden und gegebenenfalls durch neue Worte ausgedrückt werden. Entscheidend sei dabei die Einbettung in eine Communio-Ekklesiologie (Verständnis der Kirche als Gemeinschaft), wie sie vom Zweiten
Vatikanum vorgegeben werde.
Zweiter Vorschlag: Bischof von Rom
Der zweite Vorschlag betrifft die klarere Unterscheidung zwischen den verschiedenen Verantwortlichkeiten des Bischofs von Rom. Besonders wird hier die Unterscheidung zwischen dem Dienst als Patriarch des Westens und dem Dienst der Einheit auf weltkirchlicher Ebene betont. Außerdem wird empfohlen, dass der Papst den bischöflichen Dienst in seiner Ortskirche, also der Diözese Rom, verstärkt ausübe, um so besser als Bischof unter anderen Bischöfen wahrgenommen zu werden. Das würde auch das Papsttum erneuern.
Dritter Vorschlag: Synodalität
Der dritte Vorschlag betrifft die Entwicklung der Synodalität in der katholischen Kirche. Unterschieden wird hier zwischen ad intra (nach innen) und ad extra (nach außen). Der Vorschlag betont, dass sich die synodale Gestalt der Kirche nach innen auf die Glaubwürdigkeit ihres ökumenischen Engagements nach außen auswirke. Zur weiteren Reflexion wird vorgeschlagen, die Autorität der Bischofskonferenzen auf nationaler und regionaler Ebene zu bedenken, ebenso ihr Verhältnis zur Bischofssynode und zur vatikanischen Kurie. Außerdem wird die bessere Einbindung des Volkes Gottes in die synodalen Prozesse auf weltkirchlicher Ebene betont.
Vierter Vorschlag: Gemeinsam gehen
Der vierte Vorschlag regt schließlich an, die „konziliare Gemeinschaft“ zu fördern. Darunter ist zu verstehen, dass sich die Personen in den Kirchenleitungen regelmäßig auf weltkirchlicher Ebene zu gemeinsamen Beratungen und Aktionen treffen, um die schon bestehende Gemeinschaft sichtbarer zu machen und zu vertiefen.
Nicht das Ende der Reise
Die vier Vorschläge sind ermutigend. Sie weisen in eine Richtung, in der vermutlich alle Konfessionen Anknüpfungspunkte für eine Anerkennung des Primats des Bischofs von Rom als Dienst der Einheit finden können. Das Studiendokument ist aber nicht das Ende der Reise, sondern eine Vergewisserung und Sicherstellung des bisher Erreichten auf dem Weg zur Einheit. Das ermöglicht ein hoffnungsvolles Weitergehen auf der Reise zur vollen Einheit. Dazu sind auch in Zukunft theologische Gespräche notwendig. Die Vorschläge zeigen konkrete Schritte, wie schon vor Wiedererreichen der vollen Einheit der Kirchen der Primat des Bischofs von Rom als Förderung und Zeugnis der Einheit der Kirchen wahrgenommen werden kann. Die Einheit selbst kann freilich nicht nur von Menschen erarbeitet werden, sondern ist ein Geschenk des Heiligen Geistes.
Vom Hindernis zur Drehscheibe
Das Papstamt soll seine Funktion ändern. Kardinal Kurt Koch betont als Leiter der Vatikanbehörde zur Förderung der Einheit der Christen: Andere Kirchen sollen „nicht den Eindruck gewinnen, als hätten wir schon ein fertiges Programm und wollten ihnen das auferlegen“.
Nach der Veröffentlichung der vatikanischen Vorschläge für einen ökumenischen Primat des Papstes hofft Kurienkardinal Kurt Koch auf positive Reaktionen anderer Kirchen. Das Dokument eröffne die Chance, dass „ausgerechnet das Papstamt, das lange Zeit als das größte Hindernis für die Einheit der Christen betrachtet wurde, nun zu einer bedeutsamen Möglichkeit wird, um diese Einheit zu fördern und sichtbarer zu machen“.
Absichtserklärung des Vatikans
Der Vatikan hatte vergangene Woche (13. Juni) das Studiendokument „Der Bischof von Rom“ veröffentlicht. Es macht Vorschläge für ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstamtes, wonach der Papst künftig von anderen christlichen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden könnte.
Vorschläge sanft formuliert
Koch führte gegenüber Kathpress aus, dass ein allgemeiner Ehrenprimat des Papstes für die orthodoxen Kirchen am leichtesten zu akzeptieren sei. Sie hätten schon im ersten Jahrtausend den Bischof von Rom als „primus inter pares“ (Ersten unter Gleichen) anerkannt. Er hoffe aber, dass ein Weg gefunden werde, bei dem sich auch die anderen christlichen Kirchen „nicht ausgeschlossen oder abgehängt“ fühlen.
Die Vorschläge aus Rom seien bewusst „sehr sanft formuliert“, so Koch. Die anderen Kirchen sollten „nicht den Eindruck gewinnen, als hätten wir schon ein fertiges Programm und wollten ihnen das auferlegen“. Das Dokument sei von der Haltung geprägt: „Hier sind unsere Vorschläge, nun warten wir auf eure Reaktionen, aber wir haben noch kein volles Programm.“
Bätzing sieht Parallelen zu Deutschland
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat das neue Vatikanpapier zum Papstamt als wichtiges Dokument und als möglichen Impuls für weitere Reformen gewürdigt. „Was ich daran erstaunlich finde: Am Ende ist auch von einer Selbstbegrenzung des Papstamtes die Rede“, sagte Bischof Georg Bätzing gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur KNA. „Wenn wir vor Kurzem von der Selbstbindung der Bischöfe an Vereinbarungen mit Laien gesprochen haben, hat man uns gesagt: Dann gebt ihr im Grunde das Amt auf. Jetzt wird dasselbe Argument mit Blick auf das Papstamt in – wie ich finde – guter Weise angeführt“, fügte Bätzing hinzu: „Wenn der Papst seine Macht nicht in der ihm kirchenrechtlich voll und ganz zustehenden Weise ausübt, wenn er sich selbst beschränkt, um seinen Dienst an der Einheit der Kirche auszuüben – warum sollen das Bischöfe in ihrem Amt nicht auch tun können?“
Markus Schmidt, SJ.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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