Glaube
Ein Vorbild auch für heute

Erste Seligsprechung im Wiener Stephansdom. Kurienkardinal Angelo Amato verlas am 29. Jänner 2012 das päpstliche Dekret zur Seligsprechung von Hildegard Burjan, deren 5,5 mal 4 Meter großes Porträt aufgezogen wurde. Kardinal Schönborn würdigte in der Predigt das Vorbild der Sozialpolitikerin und Ordensgründerin, die in die Lebensschule Jesu gegangen sei. | Foto: Rupprecht
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  • Erste Seligsprechung im Wiener Stephansdom. Kurienkardinal Angelo Amato verlas am 29. Jänner 2012 das päpstliche Dekret zur Seligsprechung von Hildegard Burjan, deren 5,5 mal 4 Meter großes Porträt aufgezogen wurde. Kardinal Schönborn würdigte in der Predigt das Vorbild der Sozialpolitikerin und Ordensgründerin, die in die Lebensschule Jesu gegangen sei.
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Hildegard Burjan. Vor zehn Jahren, am 29. Jänner 2012, wurde die Sozialpolitikerin und Gründerin der Caritas Socialis seliggesprochen.

Mit Hildegard Burjan wurde eine Frau zur Ehre der Altäre erhoben, die nicht nur das katholisch-soziale Leben im Österreich der Zwischenkriegszeit nachhaltig geprägt hatte, sondern auch gegenwärtig als anerkannte Autorität in Kirche, Gesellschaft und Politik gilt. Als Ehefrau und Mutter, als Gründerin von Arbeiterinnenvereinen und Politikerin sowie als Vereinsvorsteherin und Leiterin einer geistlichen Schwesterngemeinschaft stand sie wie viele Frauen heute in der spannungsvollen Herausforderung, verschiedene Aufgaben im familiären und beruflichen Bereich zugleich bewältigen zu müssen.

Burjan verbrachte Abschnitte ihres Lebens in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Als Hildegard Lea Freund wurde sie am 30. Jänner 1883 als zweites und jüngstes Kind einer jüdisch-liberalen Kaufmannsfamilie in Görlitz an der Neiße geboren. Sie studierte Philosophie und Germanistik in Zürich und Berlin. Nach ihrer Heirat mit Ing. Alexander Burjan (1882–1973) ließ sie sich 1909 in Wien nieder. Zuvor war sie zum katholischen Glauben konvertiert.

Kaum erhoffte Genesung. Ausschlaggebend für diesen Schritt war letztlich das beeindruckende Wirken geistlicher Krankenschwestern aus der Kongregation der Borromäerinnen, welche die schwerstkranke Hildegard Burjan während eines monatelangen Spitalsaufenthaltes hingebungsvoll gepflegt hatten. Wie durch ein Wunder konnte die junge Frau, die von den Ärzten bereits medizinisch als aufgegeben galt, als geheilt entlassen werden.

Ein bedingungsloses Ja sagte Hildegard Burjan zu ihrer Mutterschaft. Obwohl ihr von den Ärzten aufgrund ihres Gesundheitszustandes zu einer Abtreibung geraten wurde, brachte sie unter Lebensgefahr ihr einziges Kind namens Elisabeth (1910–2006) zur Welt. Ein starkes Gottvertrauen und ein tiefer, gelebter Glaube nahmen in Burjans Leben einen zentralen Platz ein.

Soziales Engagement. In Wien entfaltete sie mit ihrem Organisationstalent ein beachtliches soziales Engagement. Obwohl die neue Selige dem Bürgertum angehörte, nahm sie sich der Sorgen der rechtlosen Arbeiterinnen an. Sie organisierte diese in Vereinen und trat für Strukturreformen und soziale Gerechtigkeit ein. Nach Einführung des Frauenwahlrechts wurde sie im Februar 1919 als katholische Arbeiterinnenführerin in die Konstituierende Nationalversammlung gewählt. Als einzige weibliche christlichsoziale Abgeordnete stellte sie Anträge zugunsten von Frauen und gesellschaftlich Benachteiligten. Die politisch aktive Katholikin galt in bestimmten kirchlichen Kreisen als zu emanzipatorisch. Hingegen warfen ihr Vertreterinnen aus dem nichtkirchlichen Milieu wegen ihrer wertkonservativen Haltung Rückständigkeit vor.

Caritas Socialis. Nach fast eineinhalb Jahren zog sich Burjan aus dem politischen Leben zurück. Sie konzentrierte sich auf ihr Lebenswerk, die Caritas Socialis, die sie im Herbst 1918 mit Unterstützung von Prälat Ignaz Seipel (1876–1932), dem späteren Bundeskanzler, und dem Arbeiterpriester August Schaur-hofer (1872–1928) gegründet hatte: zunächst als Verein, aus welchem ein Jahr später die gleichnamige Schwesterngemeinschaft hervorging. Einzigartig war, dass sie auch als Ehefrau und Mutter deren Vorsteherin bis zu ihrem Tod blieb.

Neue Wege. Burjan beschritt mit der Caritas Socialis neue Wege in der kirchlichen Sozialarbeit, nahm sich unter anderem der Fürsorge für die „sittlich gefährdete“ weibliche Jugend an, half geschlechtskranken Frauen und ledigen Müttern. Für den verstorbenen Prälat Seipel organisierte sie den Bau einer Gedächtniskirche in einem Arbeiterviertel im 15. Bezirk von Wien. Die dort 2017 neu errichtete Pfarre der Wiener Erzdiözese trägt die Bezeichnung Pfarre Hildegard Burjan.

In der Steiermark wirkte die Caritas Socialis in Graz, Bruck an der Mur, Leoben-St. Xaver und St. Sebastian bei Mariazell, unter anderem in der Bahnhofmission. Erst 50-jährig, verstarb Burjan am Dreifaltigkeitssonntag, dem 11. Juni 1933, in Wien. Der liturgische Gedenktag der Seligen ist der 12. Juni.

Michaela Sohn-Kronthaler

Erste Seligsprechung im Wiener Stephansdom. Kurienkardinal Angelo Amato verlas am 29. Jänner 2012 das päpstliche Dekret zur Seligsprechung von Hildegard Burjan, deren 5,5 mal 4 Meter großes Porträt aufgezogen wurde. Kardinal Schönborn würdigte in der Predigt das Vorbild der Sozialpolitikerin und Ordensgründerin, die in die Lebensschule Jesu gegangen sei. | Foto: Rupprecht
Gemälde mit Hildegard Burjan des österreichischen Malers Tom von Dreger, um 1930. | Foto: Archiv
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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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