Glaube
Aufstehen zum Leben
Für Peter Trummer ist Aufstand Lebensprogramm. Im Interview spricht er über sein neu aufgelegtes Buch „Auferstehung jetzt – Ostern als Aufstand“.
Ihr Buch trägt den Titel „Auferstehung jetzt“. Der größere Teil davon beschäftigt sich jedoch mit der Passion Jesu, die auch vielerorts in Passionsspielen lebendig wird. Was fasziniert so an dieser Geschichte?
Wir müssen die Passion neu sehen lernen, um zu einem aufbauenden Verständnis von der Auferstehung zu kommen. Mir ist aufgefallen, dass der Evangelist Lukas einzig dort, wo Jesus sich nach Jerusalem aufmacht, das Wort „Himmelfahrt“ – Aufnahme – verwendet (Lk 9,51). Jesus geht demnach freiwillig und ganz bewusst ins Leiden. Er wird zu keinem Zeitpunkt im Leiden entwürdigt, sondern – nach Johannes – am Kreuz verherrlicht, erhöht. Das ist etwas, das wir mit unserem Opfergedanken nicht einholen können. Jesus hätte ja bis zum Schluss fliehen können. Er legt es wirklich darauf an, am Kreuz für seinen Glauben an einen ohne Opfer gütigen Gott zu sterben. Ich sehe Jesus ungemein widerständig und aufständig. Unser Verständnis vom Sühneleiden baut da zu sehr auf Strafe auf.
Die traditionelle Deutung als Opfertod ist also biblisch nicht belegt?
Nein, das ist wirklich ein großes Missverständnis, weil sie ein Gottesbild voraussetzt, das letzten Endes nicht vertrauenswürdig ist. Wir übertragen in einer „schwarzen Pädagogik“ sehr merkwürdige Gerechtigkeitsvorstellungen auf Gott. Das Eigentliche, das durch die Person Jesu plausibel wird, ist einzig und allein, dass es so etwas wie Betroffenheit, Mitleid, Leidensfähigkeit auf der Seite Gottes gibt. Das scheint auch in der Passion als Frohe Botschaft durch und ist die Voraussetzung dafür, dass ich überhaupt an Liebe glauben kann. Leidensfähigkeit und Liebe gehören zusammen, das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Die übliche Opfervorstellung ist zerstörerisch für den Glauben.
Als Titelbild für das Buch haben Sie eine Kreuzesdarstellung aus Mariazell gewählt. Welche Bewandtnis hat es damit?
Sie drückt gerade das so genial aus: Der Vater reicht dem Sohn gleich am Kreuz die Hand und nicht erst nach Zwischenlagerung im Grab. Die Bibel möchte in ihrer Symbolsprache ganz sicher sagen, dass das Grab Jesu in dem Sinne leer ist, dass die Person nicht im Grab ist. Aber wir verwechseln Person und Leichnam. Das Letztentscheidende ist die Gottesbegegnung im Tod, die von Angesicht zu Angesicht liebevoll ist. Darin, dass wir am Ende alle die Liebe Gottes erkennen können, liegt für mich der große Sinn des Kreuzes. Dieses Mariazeller Kreuz hat mir persönlich sehr geholfen, das Kreuz lieben zu lernen. Wenn wir so in die Hand Gottes hineinsterben können, dann ist die Frage der Auferstehung weitgehend erledigt. Sie ist der Übertritt in die Welt Gottes.
Sie haben die Auferstehung als Ihr Lebensthema bezeichnet. In welcher Weise hat sie Sie geprägt?
Ich habe schon über die Auferstehung dissertiert, mich aber als 25-Jähriger mit diesem Thema überhoben. Erst die Jahresringe der Lebenserfahrung haben mir 50 Jahre später das Gefühl gegeben, etwas Brauchbares darüber sagen zu können. Heute würde ich nicht mehr sagen „Jesus ist wahrhaft auferstanden“ – auch das ist nur die halbe Wahrheit. Wir müssen begreifen, er ist die Auferstehung und das Leben (Joh 11,25). Von daher sind all seine Heilungen zu verstehen, sein Protest, dieses Aufständische.
Es gibt in der Bibel gar kein eigenes Wort für Auferstehung, sondern nur eines für „Aufstehen“, das hebräische Wort „qum“, das ich so reizend finde, weil es an das steirische „kumm“ erinnert, die Hand Gottes, die sagt: Komm! Wir können mit unserer Erkenntnis diese Schwelle in das Jenseits, in die geistige Welt Gottes nicht überschreiten. Wir können nur darauf vertrauen, dass die Hand Gottes da ist. Mehr braucht es nicht, damit wir vertrauensvoll das Leben gestalten können.
Es ist heute ein Zeichen der Zeit, dass viele Menschen aufstehen gegen Unrechtssysteme oder die Umweltzerstörung. Kann man darin eine Bewegung der Menschheit in Richtung Auferstehung erkennen?
Ja, genau. Unsere ganze Evolution geht ja auf das Aufrichten hin. Allein, dass wir uns von vier Füßen auf zwei aufgerichtet haben, heißt ja, dass wir mit einem Fünftel der Körperenergie vorankommen. Dieses labile Gleichgewicht des Aufrichtens ist unsere Existenz. Und hoffentlich schaffen wir es geistig noch schnell genug, uns als Menschheit so weit aufzurichten, dass wir die Welt nicht zugrunde richten. Ich habe dieses Buch meinen Enkelkindern gewidmet, denn wir haben die Welt von ihnen geborgt. Das ist für mich schon Programm, dass der Aufstand gegen jedes Unrecht, jeden Missbrauch, auch gegen die eigene Müdigkeit gelingt.
Wie müssen wir Ostern feiern, damit es uns zum Aufstehen motiviert und die
Auferstehung unser Leben durchdringt?
Das fängt schon mit der Passion an. Wir können nicht die Auferstehung allein feiern, es ist die Auferstehung vom Kreuz. Wenn das Kreuz nicht aufrichtet, dann bleibt die Auferstehung etwas, das uns passiv widerfährt. Für mich umfasst Auferstehung schon das, was wir hier ständig tun, dass wir immer wieder aufstehen oder aufwachen, wie es der schöne Hymnus im Epheserbrief (5,14) ausdrückt. Zu begreifen, was Jesus das Kreuz überhaupt durchstehen hat lassen – ich zweifle nicht daran, dass das auch für seinen Glauben die ärgste Belastung war – und davon etwas fürs Leben zu lernen, das wäre Ostern.
Wie müsste eine Kirche aussehen, die mehr von der Auferstehung geprägt ist?
Sie müsste von der Vorstellung wegkommen, dass Gott ein riesiges Schuld- und Gnadenkonto führt. Wenn wir klarer einen Gott verkünden, dessen Wesen Güte und Liebe ist, dann kommt Atem und Bewegung hinein. Wenn das gelingt, dann zweifle ich nicht, dass es mit der Kirche aufwärts geht.
Interview: Alfred Jokesch
Peter Trummer: Auferstehung jetzt – Ostern als Aufstand. Theologische Provokationen, Neuausgabe, 208 Seiten, Herder Verlag,
Freiburg, 2023, ISBN: 978-3-451-39499-7.
Bibeltheologisches Seminar mit Peter Trummer: „Auferstehung jetzt – Ostern als Aufstand“, Freitag, 31. 3., 15.30 bis 19 Uhr, Seminarraum 221, Bürgergasse 2, 8010 Graz. Teilnahmebeitrag: 35 Euro; Anmeldung: Bildungsforum Mariatrost, Tel: 0316/8041-452, bildungsforum.mariatrost@graz-seckau.at
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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