Soziales
Die soziale Krise bewältigen

Ihre Forderungen an die Regierung präsentierten VertreterInnen der Armutskonferenz  bei einer Pressekonferenz in Wien.
Im Bild (v. l.) Clemens Mitterlehner von der „ASB Schuldnerberatung“, Doris Pettighofer von der „Österreichischen Plattform für Alleinerziehende“ und Martin Hohl von der Katholischen Jungschar Österreich. | Foto: Kathpress / Mostögl
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    Im Bild (v. l.) Clemens Mitterlehner von der „ASB Schuldnerberatung“, Doris Pettighofer von der „Österreichischen Plattform für Alleinerziehende“ und Martin Hohl von der Katholischen Jungschar Österreich.
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Die Armutskonferenz Österreichfordert noch diesen Sommer ein Maßnahmenbündel gegen die

soziale Krise von der Regierung.

Die in der Dachorganisation „Armuts-konferenz Österreich“ zusammengeschlossenen Vereine fordern von der Regierung im Sommer konkrete Maßnahmen gegen die soziale Krise: Bildungsungleichheit müsse reduziert, Insolvenzen und Privatkonkurse abgefangen, Jugendarbeitslosigkeit bekämpft, Kinderarmut vermieden, das Unterhaltsrecht reformiert und Menschen mit Behinderungen abgesichert werden, so die Botschaft der Vertreter der NGOs aus dem Sozial- und kirchlichen Bereich.
Mit allen Mitteln müsse Langzeitarbeitslosigkeit verhindert und Gewaltprävention für Frauen und Kinder verbessert werden, unterstrich Martin Schenk von der evangelischen Diakonie. Wichtig wäre zudem, den Zugang von Kindern zu Psycho-, Physio- und Ergotherapie und das Angebot „Früher Hilfen“ für Eltern von Neugeborenen auszubauen, u. a. durch mehr Kinderfachärzte und Hebammen und besondere Unterstützungen für Kinder psychisch kranker Eltern. Derzeit leide fast ein Viertel der Minderjährigen an einer psychischen Erkrankung. Die meisten davon bekommen keine professionelle Hilfe, da sich ihre Eltern diese nicht leisten können.

Kinderarmut bekämpfen. Martin Hohl von der Katholischen Jungschar forderte die Bekämpfung von Kinderarmut: Statt der beschlossenen einmaligen Zusatzzahlung von 360 Euro pro Kind wäre eine „universelle Kindergrundsicherung, die unabhängig ist von Familienform, Herkunft oder Aufenthaltsstatus der Eltern“ eine wesentlich nachhaltigere Unterstützung von Familien in Finanznöten. Schon vor der Krise habe Kinderarmut in Österreich jedes fünfte Kind betroffen, erinnerte Hohl.
Besonders die Kinder und Jugendlichen aus dieser Gruppe hätten an den Corona-Begleiterscheinungen gelitten. Das Homeschooling habe bei ihnen aufgrund ihrer mangelhaften Wohnsituation bzw. ebensolcher technischer Ausstattung „Schieflagen offengelegt und bestehende Probleme verschärft“.

Alleinerziehende stärken. Doris Pettighofer von der „Österreichischen Plattform für Alleinerziehende“ sprach sich für eine rasche Umsetzung der Unterhaltsreform aus, um getrennt lebenden Familien gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Schon bisher seien 46 Prozent der Ein-Eltern-Familien gefährdet gewesen, in Armut und Ausgrenzung abzurutschen – die Corona-Krise verstärkt diese Gefahr. Pettighofer forderte deshalb einen Unterhalt auf Basis aktueller Kinderkosten, ferner eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses, insbesondere der Altersgrenze bis zum Ausbildungsende und eine Vereinfachung der Unterhaltsvorschussverfahren.

Menschen mit Behinderung. Norbert Krammer vom „VertretungsNetz – Erwachsenenvertretung“ forderte eine soziale Absicherung für Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen. Die jeweils verschiedenen „Mini-Geldleistungen“ der einzelnen Länder würden von den Behörden unterschiedlich berechnet und gehandhabt, kritisierte Krammer.

Perspektiven für Arbeitslose. Manuela Vollmann von der Organisation „arbeit+“ äußerte sich zum Thema Arbeitslosigkeit. 150.000 neue Erwerbsarbeitslose seien im Zuge der Corona-Krise zu den bereits 334.000 Arbeitslosen im Februar 2020 hinzugekommen. Es sei deshalb dringend notwendig, „Menschen, die es bereits vor der Krise schwer auf dem Arbeitsmarkt hatten, eine Perspektive zu bieten und eine Situation von verfestigter, lang andauernder Arbeitslosigkeit zu verhindern“. Dafür brauche es Qualifizierungsangebote, Beschäftigung in den Sozialen Unternehmen ebenso wie Angebote, die Arbeiten und Lernen miteinander verbinden.

Zu wenig Personal. Clemens Mitterlehner von der „ASB Schuldnerberatungen“ sagte eine „massive Steigerung“ von Hilfesuchenden in der Schuldenberatung in den kommenden Monaten vorher und beklagte das Fehlen personeller Ressourcen dafür.
Kathpress

In Aktion

Arbeitsuchende stärken
Auf Initiative oststeirischer Pfarren wurden am 29. Juni vor dem AMS Gleisdorf Schokoladen als Stärkung für Arbeitsuchende und die AMS-BeraterInnen verteilt. Ziel der Aktion ist es, zu den Menschen hinauszugehen, ins Gespräch zu kommen und zuzuhören. „Besonders in der derzeit wirtschaftlich sehr herausfordernden Situation wollen wir als Kirche bei jenen Menschen sein, die die negativen Auswirkungen der Krise besonders zu spüren bekommen“, meinen Andrea Schwarz, Regionalkoordinatorin für die Region Oststeiermark, und Bernhard Schwarzenegger vom Fonds für Arbeit und Bildung, die dem Organisationsteam angehören. Gottfried Walter, Geschäftsstellenleiter des AMS Gleisdorf, der die Aktion begrüßte, berichtete im Rahmen eines Austauschgesprächs über die Situation im Arbeitsmarktbezirk.
Auf den eigens gestalteten Schleifen für die Schokoladen fanden sich Hinweise auf konkrete Hilfsangebote der Diözese Graz-Seckau, wie etwa die Arbeitsberatung der Caritas-Beratungsstelle für Existenz-sicherung (BEX) oder finanzielle Zuschüsse für Weiterbildungen durch den Fonds für Arbeit und Bildung. Auch Kontakte für persönliche Gesprächsmöglichkeiten, etwa über die Telefonseelsorge Tel. 142 oder das Kircheneck in der Grazer Herrengasse, wurden weitergegeben.

Fonds für Arbeit und Bildung
Der Fonds für Arbeit und Bildung der Diözese Graz-Seckau, 1988 als Arbeitslosenfonds von Bischof Johann Weber gegründet, fördert mit den Spenden die Erhöhung der Chancen Arbeitsuchender auf Arbeit.
IBAN: AT58 3800 0000 0027 7111.

Süße Stärkung und konkrete Hilfe (v. l.): Bernhard Schwarzenegger, Fonds für Arbeit und Bildung; Anneliese Kober, AMS-Beraterin; Gottfried Walter, AMS-Geschäftsstellenleiter; Katrin Brottrager und Anita Fenz, Pfarre Gleisdorf, verteilten Schokolade vor dem AMS Gleisdorf. | Foto: Andrea Schwarz
  • Süße Stärkung und konkrete Hilfe (v. l.): Bernhard Schwarzenegger, Fonds für Arbeit und Bildung; Anneliese Kober, AMS-Beraterin; Gottfried Walter, AMS-Geschäftsstellenleiter; Katrin Brottrager und Anita Fenz, Pfarre Gleisdorf, verteilten Schokolade vor dem AMS Gleisdorf.
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Abrutschen in die Armut verhindern
Caritas-Präsident Landau macht der Regierung konkrete Vorschläge.
Einmalzahlungen an Familien und Arbeitslose helfen in der Coronakrise in akuter Not und sind nach den Worten von Caritas-Präsident Michael Landau daher positiv. „Aber wer die Arbeitslosenzahlen vor Augen hat, weiß: Es bleibt noch viel zu tun.“ Um wie bei den Infektionen auch diese Kurve rasch abzuflachen, schlug Landau im Interview der „Salzburger Nachrichten“ drei konkrete Maßnahmen vor: eine Erhöhung der Ausgleichszulage auf 1000 Euro käme Mindestpensionisten und Arbeitslosen unmittelbar zugute; zweitens die Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe; drittens das Überdenken der noch unter der ÖVP-FPÖ-Regierung beschlossenen Abschaffung der Mindestsicherung. „Rekordarbeitslosigkeit bedeutet auch Rekordverantwortung“, gab der Caritas-Chef zu bedenken. Es gelte ein Abrutschen vieler in Armut zu verhindern.

Die Frage, wer die zur Bewältigung der Corona-Folgen erforderlichen Milliarden bezahlen soll, beantwortete Landau mit dem Hinweis: „Wir sind als Caritas Armutsexperten, keine Steuerexperten.“ Der Wiederaufbau müsse aber gemeinsam geschultert werden, alle sollten gemäß ihren Möglichkeiten einen entsprechenden Beitrag leisten. Neben dem Kampf gegen die Gesundheitskrise und der Stärkung der Wirtschaft müsse jedenfalls auf das Soziale geachtet werden. Die Krise habe verdeutlicht, wie kostbar ein funktionierender Sozialstaat ist, wies Landau hin: „Diesen zu stärken und stark zu halten wird entscheidend sein.“
Diese Aufgabe werde Österreich im Herbst „massiv fordern“, prognostizierte Landau. „Aber die gute Botschaft lautet: Wir können das.“ Nicht zuletzt die vielen Spenden belegten den „guten Grundwasserspiegel an Solidarität und Nächstenliebe“ im Land. Österreich habe in der Vergangenheit oft bewiesen, dass es gerade in Krisen wie der gegenwärtigen wichtig ist, zusammenzustehen und nicht auf die Schwächsten zu vergessen.

In der Coronakrise habe jeder Einzelne stärker als bei vorangegangenen Krisen „eine ganz wichtige Lernerfahrung“ gemacht: „Es kommt auch auf mich an. Abstand halten, Masken tragen, auf Hygiene achten – jeder konnte einen Beitrag leisten.“ Dies gelte es zu bewahren, wenn es um die Rettung des Klimas oder die Bekämpfung des Hungers und der globalen Armut geht. „Gemeinsam können wir erstaunlich viel zum Positiven verändern“, sagte Landau. Als Optimist sei er überzeugt: „Wir werden gut aus dieser Krise kommen.“

Ihre Forderungen an die Regierung präsentierten VertreterInnen der Armutskonferenz  bei einer Pressekonferenz in Wien.
Im Bild (v. l.) Clemens Mitterlehner von der „ASB Schuldnerberatung“, Doris Pettighofer von der „Österreichischen Plattform für Alleinerziehende“ und Martin Hohl von der Katholischen Jungschar Österreich. | Foto: Kathpress / Mostögl
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Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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