14. Sonntag: Johann Reikerstorfer
Neugier auf Gott
Womit wir Menschen uns das Leben oft schwer machen, das sind die vorgefassten Vorstellungen voneinander, die Etiketten, mit denen wir uns gegenseitig abstempeln. Doch verraten solche Meinungen voneinander mehr über uns selbst als über die anderen. Wir projizieren unsere eigenen Lebenserfahrungen in die anderen hinein und machen uns deshalb zuletzt begegnungsunfähig. So gehen wir miteinander um, obwohl wir doch selbst alle Angst davor haben, abgestempelt zu werden.
Wir kennen das Bilderverbot der Bibel, das sich nicht nur auf Gott, sondern auch auf unsere Nächsten bezieht. „Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“ (Ex 20,4)
Die Hoffnung suchende Neugier auf Jesus
Jesus selbst erlebt den eingefleischten Hang zur Selbstprojektion bei seinen Bekannten und Verwandten in der Heimatstadt. Sie meinen ihn zu kennen; sie weigern sich von vornherein, in ihm etwas Neues zuzulassen. So haben sie sich gegen überraschende Begegnungen, die verändernd in unser Leben eingreifen, bereits abgedichtet. Wir kennen ihn doch, seine Eltern, er ist der Sohn des Zimmermanns. Jesus wundert sich über solchen Unglauben und vermag dort, wie es heißt, auch keine Wunder zu wirken. In den Bildern, die sie von Jesus haben, ist keine Überraschung mehr möglich, weil Menschen nur sich selbst begegnen. Die Hoffnung suchende Neugier auf Gott, der uns nicht bloß bestätigt, bleibt schon im Keim erstickt.
Doch wenn du Gott zu denken suchst, dann musst du deine eigenen, deine vorgefassten Interessen unterbrechen lassen und für Überraschungen offen sein. Du musst mit verändernden Aufbrüchen rechnen, sonst drehst du dich wie ein Gefangener nur im Kreise, der nichts Neues, nichts Bewegendes, nichts Befreiendes mehr erfahren kann. Alles bleibt beim Alten. Denken wir zum Beispiel an den Zöllner Levi, der neugierig auf einen Baum kletterte, als er hörte, Jesus komme nach Jericho. Als Jesus ihn sah und ansprach, da öffnete er sein Herz, um Jesus bei sich aufzunehmen. Er kehrte um, bereute seinen bisherigen Lebensstil und suchte fortan Gutes zu tun.
Die Leute in Nazareth wollten ihre eingefleischten Bilder nicht unterbrechen und sich nicht in ein neues Leben hineinziehen lassen. So aber können sie nichts Neues hören und auch nichts Neues für sich und die Welt erwarten. Ihr Leben bleibt, wie es ist. Denn auf eine wenigstens ansatzhafte Bereitschaft für neue Erfahrungen ist Jesus angewiesen.
Wunder setzten die Offenheit für Nicht-Kalkulierbares voraus. Und wenn es auch nur das Gespür ist, dass die uns vertraute Welt nicht alles sein kann. „Es muss doch mehr als alles geben“, so hat es die Theologin Dorothee Sölle auf den Punkt gebracht. „Mehr als alles“ – das meint die Unterbrechung der uns sattsam bekannten Erfahrungswelt mit ihren Regeln und Gesetzen. Wir sollten uns fragen: Erwarten wir überhaupt noch etwas für uns selbst, für unser Leben, also Impulse oder Anstöße, die uns verändern möchten?
Wir haben die Botschaft Jesu in Formeln gepresst und geradezu eingesargt. Kaum ist da noch etwas zu spüren von der Freiheit, die er in uns wecken will. Kaum etwas von dem Feuer, das er auf die Erde geworfen hat, kaum etwas von der Begeisterung, mit der er Menschen auf Gott neugierig machen wollte. Ist uns Jesus nicht zum „lieben Heiland“ geworden, der unsere alten Gewohnheiten nicht mehr unterbricht und uns nicht auf eine sinngebende Hoffnung hin spannt? Ist uns der Glaube nicht zu einem bloß geglaubten Glauben geworden, unter dessen Deckmantel wir die Alten bleiben können, die wir sind? Und unter dessen Schirm wir unsere gewohnten Wege einfach weitergehen können, weil wir nicht mit der praktischen Veränderungskraft des Glaubens rechnen? Es ist nur eine Frage. Aber das heutige Evangelium drängt sie uns auf.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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