Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer über
Zehn Jahre Papst Franziskus

Bewegt blickte die Welt am 27. März 2020 nach Rom: Papst Franziskus betet vor dem Petersdom um ein baldiges Ende der Pandemie. Der Petersplatz ist menschenleer.  | Foto: Vatican Media/Romano Siciliani/KNA
2Bilder
  • Bewegt blickte die Welt am 27. März 2020 nach Rom: Papst Franziskus betet vor dem Petersdom um ein baldiges Ende der Pandemie. Der Petersplatz ist menschenleer.
  • Foto: Vatican Media/Romano Siciliani/KNA
  • hochgeladen von Kirche bunt Redaktion

Am 13. März 2013 wurde Jorge Mario Bergoglio, damals Kardinal in Buenos Aires, zum neuen Pontifex gewählt. Exklusiv für „Kirche bunt” schreibt Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer über das zehnjährige Pontifikat von Franziskus.

In zehn Jahren ist Franziskus ein Papst geblieben, der überrascht und dessen Pontifikat nicht abgeschlossen ist. Sein großes Anliegen ist unverändert seit Tag 1: der Kirche – und das heißt allen Gläubigen – neuen missionarischen Schwung zu geben. Gerade dieses Anliegen blieb in unseren Breiten lange unterbelichtet, weil die Sympathie für den argentinischen Papst, der eine neue Sprache sprach, manche verleitet hat, nicht genau hinzuhören oder statt des Waldes nur ein paar jeweilige Lieblingsbäume zu sehen.

An jenem 13. März 2013 wählten die Kardinäle als Nachfolger des zurückgetretenen Benedikt XVI. einen Papst „fast vom Ende der Welt“, der sich nach Franz von Assisi nannte – der erste Papst in 1.000 Jahren, der nicht den Namen eines Vorgängers, sondern eines Heiligen annahm.

„Wozu ist die Kirche gut?”

Sie wählten ihn wesentlich wegen einer kurzen Rede im Vorkonklave. Darin erörterte der Erzbischof von Buenos Aires nicht einzelne Probleme der Kirche, sondern zielte auf die Mitte, fragte: „Wozu ist die Kirche gut?“ „Jesus“, sagte Kardinal Bergoglio, „steht vor der Tür und klopft an – aber nicht von außen, sondern von innen. Er will heraus aus der Kirche, in die wir ihn eingesperrt haben, er will das Heil zu allen tragen.“ Diese Rede ist der Leseschlüssel des Pontifikats Franziskus. Die muffige, sich selbst beweihräuchernde, verweltlichte Kirche, ein Zerrbild von Kirche, ist das, was Franziskus reformieren will, dafür wurde er Papst.
„Bau meine Kirche wieder auf“, hörte Franz von Assisi 1205 vom gekreuzigten Christus in der Kapelle San Damiano zu Beginn seines Wirkens. Franziskus von Rom fühlt sich derselben Bitte verpflichtet. Überhaupt orientiert sich der Papst an Franz von Assisi mit beispielloser Konsequenz: die Hinwendung zu den Armen und zur Schöpfung, in dieser Form neu für Päpste. Der Dialog mit dem Islam, die Geschwisterlichkeit, die Franz 1219 mit seiner Reise zum Sultan in Ägypten begann und Franziskus in einem Dokument festschrieb, das er 2019 mit dem Großimam von Ägypten in Arabien unterzeichnete. Seine beiden Enzykliken „Laudato Si“ (eine Sozialenzyklika, die Schöpfungsverantwortung plus Gerechtigkeit verbindlich ins päpstliche Lehramt holte) und „Fratelli tutti“ verweisen beide auf Franz von Assisi, die zweite unterzeichnete der Papst sogar am Grab des Heiligen.

Kirche im Aufbruch

Alles, was Franziskus in zehn Jahren getan hat und noch tun wird, ordnet sich dem einen Anliegen unter: Dieser Papst will eine Kirche im Aufbruch, wie die ersten Christen sie gelebt haben und wie Franz von Assisi sie später wieder herstellte. Eine Kirche, die nicht mehr zuerst Trost für verunsicherte Fromme ist, sondern furchtlos und freudig allen die Frohe Botschaft verkündet, heutigen Menschen in heutiger Sprache. Dazu dienten fünf Synoden, vierzig Reisen, Kurienreform, Friedensgebete, Kardinalsernennungen von den Peripherien, Dutzende freihändige Interviews, rund 500 Mittwochs-Katechesen und eindringliche Gesten wie der eucharistische Segen „Urbi et Orbi“ auf dem leeren Petersplatz in Pandemie-Zeiten.

Der meistgesprochene Satz dieser zehn Jahre? „Bete für mich.“

All das geschah in einem betont schlichten Stil. Der meistgesprochene Satz dieser zehn Jahre? „Bete für mich.“ Franziskus beschließt damit jede Audienz, Katechese, Begegnung. Auch weil er ohne Zögern eingesteht, dass er dieses Gebet braucht. Franziskus ist weder Held noch Heiliger und er weiß das. In seinem ersten Interview stellte der Papst sich als „Sünder“ vor, „den der Herr angeschaut hat“.

Um der Kirche missionarischen Schwung zurückzugeben, lässt sich Franziskus auch mit 86 Jahren noch auf Prozesse ein, deren Folgen für die Kirche nicht abzusehen sind: die Synode zur Synodalität, die ein Miteinander aller Getauften will und damit das Zweite Vatikanische Konzil vollenden möchte.

Angetreten für die Reform der Kirche an sich

Das Projekt wird das laufende Pontifikat um Jahrzehnte übersteigen, aber Franziskus hat es angegangen. Vieles von dem, was dieser Papst seit 2013 macht, wird ein anderer Papst anders machen. Verändert hat Franziskus schon jetzt, wie wir heute einen Papst sehen und wie heute ein Papst sein kann. Wie weit die Kirche wieder missionarisch wird, indem sie allen Getauften Platz und Verantwortung gibt, lässt sich noch nicht erkennen. Fest steht: Franziskus ist nicht angetreten für diese oder jene Reform in der Kirche, so nötig sie sein mag, sondern für die Reform der Kirche an sich.

Die Autorin

Gudrun Sailer (52) stammt aus der Diözese St. Pölten und maturierte am Mary Ward Gymnasium in St. Pölten. Sie studierte ab 1988 in Wien, Innsbruck, Klagenfurt und Sevilla Vergleichende Literaturwissenschaft, Spanisch, Französisch und Philosophie. Seit 2003 arbeitet sie als Redakteurin bei Radio Vatikan, das nunmehr unter dem Namen Vatican News firmiert. Sailer ist verheiratet und Mutter einer Tochter.

Bewegt blickte die Welt am 27. März 2020 nach Rom: Papst Franziskus betet vor dem Petersdom um ein baldiges Ende der Pandemie. Der Petersplatz ist menschenleer.  | Foto: Vatican Media/Romano Siciliani/KNA
Das war eine Freude für uns bei „Kirche bunt”: Bischof Alois Schwarz überreichte Papst Franziskus anlässlich des Ad limina-Besuchs der österreichischen Bischöfe im Dezember 2022 eine Ausgabe von „Kirche bunt”.  | Foto: Vatican Media/Romano Siciliani
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ