Heilige Elisabeth
Radikale der Liebe

Heilige Elisabeth von Thüringen. Altarblatt des Elisabethaltares in der Wiener Karlskirche, gemalt vom niederösterreihischen Barockmaler Daniel Gran.  | Foto: commons.wikimedia
  • Heilige Elisabeth von Thüringen. Altarblatt des Elisabethaltares in der Wiener Karlskirche, gemalt vom niederösterreihischen Barockmaler Daniel Gran.
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Der Sonntag vor dem Gedenktag der heiligen Elisabeth ist der Nächstenliebe gewidmet: Am Welttag der Armen macht die Kirche auf die Armut in allen Teilen der Welt aufmerksam und erinnert gleichzeitig an das Beispiel einer radikal Liebenden.

Mögest Du in interessanten Zeiten leben, lautet ein chinesischer Fluch. In interessanten Zeiten zu leben, heißt mit Umbrüchen und Unsicherheiten konfrontiert zu sein. In solchen Zeiten lebte auch Elisabeth von Ungarn, die im Jahr 1221 als junges Mädchen den Landgrafen von Thüringen, Ludwig II., heiratete. Ein Jahr zuvor wurde einer der schillerndsten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in Rom gekrönt: Friedrich II., unter dessen Regentschaft der im Hochmittelalter politisch prägende Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum eine neue Schärfe und Intensität gewann. In dieser Zeit erlangte das erstarkende Bürgertum immer mehr Bedeutung und forderte Mitsprache in dem von Adeligen bestimmten politischen Leben. Außerdem manifestierte sich in vielen, teils häretischen, also nicht-rechtgläubigen Gruppierungen, heftiger Widerstand gegen die prunkvolle Hofhaltung und Lebensweise der Fürsten und Kleriker und sorgten so für Unruhe in der Gesellschaft. Innozenz III. legte mit seinen kirchenrechtlichen Reformen den Grundstein für die Inquisition, die eine umfassende Reform des Rechtssystems und -verständnisses in Europa mit sich brachte.

Im Einsatz für die Armen

Es war also eine Zeit des Umbruchs und der Unruhe, in der die junge Elisabeth, ungarische Königstochter, in eines der kultiviertesten und mächtigsten Häuser der deutschen Fürstentümer einheiratete. Gleichzeitig war es aber auch eine Zeit großer Armut. Im Winter 1225/26 litt die thüringische Bevölkerung unter einer der größten Hungersnöte der deutschen Geschichte. Seuchen, Krankheiten, Verstümmelungen in Kriegen waren an der Tagesordnung. Motiviert von den schon erwähnten Armutsbewegungen, zu denen auch die Franziskaner, Beginen und Dominikaner gehörten, und konfrontiert mit dem Leid ihrer Zeit, fühlte sich Elisabeth gedrängt, nicht tatenlos zuzusehen, sondern zu handeln: Sie verschenkte fast ihren kompletten persönlichen Besitz, gründete gemeinsam mit ihrem Mann Spitäler und pflegte selbst mit hingebungsvoller Liebe die Kranken und Armen. Ihr Einsatz ging auch weit über normale Pflege hinaus. Sie berührte und umarmte diejenigen ihrer Patienten, die durch Krankheit und Krieg besonders entstellt waren, besonders für Kinder, mögen sie auch noch so gezeichnet von Krankheiten gewesen sein, hatte sie ein großes Herz.

Ihr unermüdlicher Einsatz ist dabei kein Ergebnis eines singulären Bekehrungsmomentes, wie ihn zum Beispiel der heilige Franziskus oder der Häretiker Petrus Valdes verspürt hatten. Stattdessen ist es dem aufmerksamen und hochgebildeten Gewissen der Königstochter zu verdanken, dass sie bereits als kleines Kind mit dem Prunk des Herrscherhauses fremdelte und sich zu den ungerecht Behandelten und Ausgestoßenen hingezogen fühlte.

Ihre Lebensweise war dem Hof ein Stachel im Fleisch.

Ihr Gemahl, Landgraf Ludwig, förderte sie und ihre Bestrebungen, nicht nur ein einfaches und gottgefälliges Leben zu führen, sondern sich durchaus radikal (von lat. radix – Wurzel, also zur Wurzel zurückkehrend) für die Armen- und Krankensorge einzusetzen. Anderen, vor allem der Verwandtschaft Ludwigs, war ihre Lebensweise ein Stachel im Fleisch: Unter der Prämisse, ein Leben, wie es die Landgräfin führte, sei ihrem Stand nicht angemessen, versuchten sie auf mehrere Arten, sich ihrer zu entledigen. Ihr Gemahl konnte sie zwar vor offenen Anfeindungen schützen, die Feindeseligkeit selbst aber konnte er seinen Verwandten nicht austreiben.

Die Spannungen verstärkten sich, nachdem Konrad von Marburg, Priester und strenger Inquisitor als geistlicher Begleiter Elisabeths berufen wurde. Unter ihm radikalisierte sich Elisabeth noch mehr; ihm gegenüber legte sie Gehorsamsgelübe ab, er strafte und demütigte sie bei Vergehen. Warum unterwarf sich diese große Frau dem radikalen Priester? Ihre ohnehin schon radikale Auffassung vom Auftrag Christi, die durch Konrad noch bestärkt wurde, mag Teil einer Antwort sein.

Als Ludwig während eines Kreuzzuges starb, konnte sich Elisabeth nicht mehr vor seinen Verwandten schützen. Mit einem Bruchteil ihres Erbes abgespeist, verließ sie die Wartburg und lebte bis zu ihrem Tod als arme Krankenschwester in einem der von ihr gegründeten Spitäler.

Ihr ganzes Leben war von einer radikalen Umsetzung dessen geprägt, was sie – und viele ihrer Zeitgenossen in den Armutsbewegungen – als Auftrag Christi verstanden haben. Sowohl die persönliche Armut, als auch die liebevolle Hinwendung zu den Armen, in denen sie Christus selbst erkannte, sowie die strengen Gelübde, denen sie sich unterwarf, sind Ausdruck dessen, was sie als ihre persönliche Berufung verstand: Christusnachfolge, in kompromissloser Radikalität der Liebe.
Matthias Wunder

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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