Abschied am Telefon
Fra Aquilino: Einer, der Abschiednehmen ermöglicht
Fra Aquilin öffnet die Tür zur Leichenhalle des Krankenhauses in Bergamo, in dem zahllose Särge gestapelt sind. Als er vor einem der Särge steht, holt er aus seiner Kutte ein Smartphone heraus und tippt eine Nummer ein. Ein junge Frau hebt ab.
Laura Mazzola: Pronto?
Fra Aquilino: Hallo? Spreche ich mit der Familie von Antonella Mazzola?
Laura Mazzola: Ja, hier ist die Enkelin, Laura Mazzola.
Fra Aquilino: Hier spricht Fra Aquilino. Ich wollte Ihnen mein herzliches Beileid zum Tode Ihrer Großmutter aussprechen. Ich befinde mich in der Leichenhalle des Krankenhauses, wohin Ihre Großmutter gebracht wurde. Ich stehe am Fuß des Sarges.
Laura Mazzola: Ja, vorgestern wurden wir vom Tod unserer Großmutter unterrichtet. Es war zu erwarten, dass sie mit ihren Erkrankungen das Krankenhaus nicht überlebt. Aber trotzdem es ist für mich, als müsse seitdem die ganze Welt stehenbleiben.
Fra Aquilino: Frau Mazzola, hören Sie mich? Ich kann Ihnen nicht viel anbieten, aber wir können für Ihre Großmutter zusammen ein Gebet sprechen. Dann können Sie sich über Smartphone von Ihrer Großmutter verabschieden. Ich werde mein Handy auf den Sarg legen, sodass Ihre Großmutter Sie hören kann. Reden Sie mit ihr und verabschieden Sie sich. Sagen Sie ihr, was Sie ihr noch sagen wollten.
Laura Mazzola: Ja, bitte beten Sie. Meine Großmutter betete jeden Abend. Sie war ganz versunken in das Gebet, wenn sie diese Sätze sprach, die mir oft rätselhaft erschienen.
Fra Aquilino: Ihre Großmutter war eine gute Frau. So lasst uns nun beten: Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die heiligen Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem. Die Chöre der Engel mögen dich empfangen, und durch Christus, der für dich gestorben, soll ewiges Leben dich erfreuen. Amen
Laura Mazzola: Das war schön. Grazie.
Fra Aquilino: Jetzt lege ich mein Smartphone auf den Sarg Ihrer Großmutter, damit Sie mit ihr sprechen können. Sagen Sie ihr das, was immer Sie ihr sagen wollen.
Laura Mazzola: Ja, gerne. Hallo Oma. Liebe Oma. Ich vermisse dich so – gerade in diesen Zeiten. Du hast für mich immer gesorgt. Du warst eigentlich meine Mutter. Ich vermisse deine Arme mit denen du mir immer entgegen gekommen bist. Ich vermisse deinen liebevoll gedeckten Tisch, wenn ich bei dir zu Besuch war. Ich vermisse deine gespielte Verzweifelung beim Suchen deiner Brille. Ich vermisse deine Geschichten, die du mir erzählt hast, wenn wir zusammen im Bett lagen und ich solche Angst vor der Dunkelheit hatte. Wenn ich später kam, hatte ich immer so viel zu erzählen und du hörtest aufmerksam zu. Ich halte mich daran fest, dass du weiter lebst. Im Himmel – bei Gott, bei der Madonna, die du so geliebt hast. Ja, du lebst auch in meinem Herzen und in meinen Gedanken weiter. Lass mich spüren, dass du mir nahe bist, denn du bist für mich viel mehr als das, was der Tod mir nehmen kann. Du fehlst mir so unendlich.
Fra Aquilino: Jedes deiner Worte, Laura, hat deine Großmutter gehört. Sie war ein Geschenk für dich und gab dir Sicherheit, das Leben zu bestehen. Die Worte und Liebe, die sie gelebt hat, werden weitertragen. Ein Leben lang, da bin ich mir sicher. Ein solches Leben erlischt nicht mit dem Tod, alles wird in der Erinnerung aufbewahrt und bleibt für Dich erhalten.
Laura Mazzola: Ja, Fra Aquilino, das glaube ich. Auch wenn ich ihre Nähe zurzeit nicht spüre, weil ich so traurig bin. Da ist eine große Leere. Aber ich darf mich in meine Trauer nicht verlieren, denn meine Großmutter hätte das nicht gewollt.
Fra Aquilino: Das hätte sie sicher nicht gewollt, da bin ich mir sicher. Wollen wir jetzt gemeinsam ein Vaterunser sprechen.
Laura Mazzola: Ja, wir sprechen noch ein Gebet. Aber bitte auch das „Gegrüßet seist Du Maria“. Das hat meine Großmutter geliebt und jeden Tag gesprochen.
Die beiden beten gemeinsam.
Laura Mazzola: Grazie mille, Fra Aquilino, für den Anruf und die Worte.
Fra Aquilino: Alles Gute, Laura. Sei behütet.
Text (gekürzt): Alfred Sobel
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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