Jesuitenpater und Widerstandskämpfer Alfred Delp
Für eine Vision gestorben

- Der Jesuitenpater und Widerstandskämpfer Alfred Delp
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Vor 80 Jahren, am 2. Februar 1945, wurde Alfred Delp im Gefängnis Plötzensee in Berlin durch die Nationalsozialisten hingerichtet. Sein Erbe bleibt bis heute: Das furchtlose Eintreten für die Vision einer besseren Welt.
Es gibt wenig, das einem die ganze Absurdität, Rechtlosigkeit und Ehrlosigkeit des Naziregimes besser vor Augen führt als die Aufnahmen der NS-Volksgerichtshofprozesse gegen die Verschwörer des Attentats auf Hitler am 20. Juli. Der Präsident des Gerichtes, Roland Freisler, sitzt in einer Reihe anderer Richter, die neben ihm wie Statisten wirken: Er ist der einzige, der mit den Angeklagten spricht. Er schreit sie an, unterbricht sie, demütigt sie. Er ist zugleich Ankläger und Richter, er führt einen Prozess ohne Anklang von Recht oder Gerechtigkeit.
Er war es auch, der den Jesuitenpater Alfred Delp zum Tode verurteilte, nachdem man diesen kurz nach dem Stauffenberg-Attentat gefangengenommen hatte. Am 11. Jänner 1945 wird der Priester des Hoch- und Landesverrats schuldig befunden; am 2. Februar erhängen ihn die Schergen des Regimes im Gefängnis Plötzensee. Einen Tag später stirbt der „Blutrichter“ Freisler bei einem Luftangriff auf Berlin.
Widerstand im Kreisauer Kreis
Was Delp tatsächlich getan hatte, war, gemeinsam mit anderen über eine Neuordnung Deutschlands nach dem Untergang der Nazis nachzudenken. In der von der Gestapo „Kreisauer Kreis“ genannten Runde diskutierten Juristen, Philosophen, Theologen, Wirtschafts- und Sozialwissenschafter über die Frage, wie eine bessere Welt nach den Nazis aussehen könnte. Der Kopf der Gruppe war Helmuth James Graf von Moltke, ein Jurist, geschult im britischen Common Law, ein Nazigegner der ersten Stunde. Er versuchte, überall gegen das Regime zu wirken.
Als Anwalt vertrat er vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Regimegegner; als er zu Beginn des Krieges für den Militärnachrichtendienst verpflichtet wurde, versuchte er durch Rechtsgutachten mäßigend auf die Militäroperationen Deutschlands einzuwirken. Dem Widerstandskämpfer Otto Kiep verriet er im Jänner 1944 dessen geplanten Inhaftierung durch die Gestapo. Daraufhin wurde Moltke gefangengenommen.
Der Kreisauer Kreis war führungslos, ihm fehlte die treibende Kraft Moltkes. Dieser war ein umtriebiger Gelehrter: Vor seiner Inhaftierung organisierte er drei mehrtägige Tagungen des Kreises im Schloss Kreisau, in denen Pläne entworfen wurden, ein gerechtes, christlich-soziales, förderales und subsidiär geordnetes Deutschland zu errichten, nachdem die Nazis entmachtet waren.
Die Mehrhheit des Kreises war der festen Überzeugung, dass das Regime von innen heraus zerfallen werde – Moltke und Delp lehnten Gewalt im Widerstandskampf ab. Doch das sahen nicht alle Mitglieder des Kreisauer Kreises so. Nachdem er sich nach der Inhaftierung Moltkes de facto aufgelöst hatte, schlossen sich viele Teilnehmer den Stauffenberg-Verschwörern an, zum Beispiel Adam von Trott zu Solz, der als Bediensteter im Außendienst des Deutschen Reiches Gelegenheit hatte, ins neutrale Ausland zu reisen und Unterstützer für die Pläne des Kreisauer- und Stauffenbergkreises anzuwerben.
Das Fundament aller Politik sollte das Christentum sein.
Nachdem das Attentat auf Hitler vom 20. Juli gescheitert war, konnte auch der Kreisauer Kreis nicht geheimgehalten werden. Die Visionen der Teilneher reichten dem Blutrichter, um auch jene zum Tode zu verurteilen, die nicht an den Umsturzplänen Stauffenbergs beteiligt waren.
Die Pläne Kreisaus waren von der katholischen Soziallehre sowie vom protestantisch dominierten Religiösen Sozialismus geprägt. Es ging den Teilnehmern in ihren Plänen um eine Gesellschaftsordnung, die den Mensch in seiner „horizontalen“ Doppelnatur begreift: Er ist Sozialwesen, aber auch Individuum. Als solches trägt er immer eine Verantwortung für die Gesellschaft, darf aber niemals ganz im Kollektiv aufgehen. Das steht gänzlich im Gegensatz zur Ideologie der Nazis, in der der Volksbegriff die entscheidende anthropologische Größe ist: Der Mensch ist immer primär Teil seines Volkes und dieses Volk sowie die Bereitschaft des Menschen, sich diesem unterzuordnen und zu dienen, definiert den Wert des Individuums.
Die konkreten politischen Forderungen des Kreises waren höchst fortschrittlich: Der Kapitalismus müsse als menschenfeindliche Wirtschaftsordnung durch einen christlich-sozialen und solidarischen Gegenentwurf ersetzt werden. Durch ein dichtes Netz diplomatischer Verflechtungen auf europäischer Ebene erhoffte man nach Kriegsende einen stabilen Frieden in Europa schaffen zu können. Das Fundament aller Politik aber sollte das Christentum sein.
Alfred Delp war einer der zentralen Denker des Kreisauer Kreises. Er brachte die katholische Sicht in die Diskussionen ein, war aber durch seine Kenntnis des Philosophen Martin Heidegger auch vertraut mit dem Existentialismus seiner Zeit. Als Sohn gemischtkonfessioneller Eltern hatte er ein Gespür für die gesellschaftlichen Gegensätze in Deutschland und war stets bemüht, in seinen Diskussionsbeiträgen für die Überwindung dieser Gegensätze zu optieren. Bis zu seiner Todesstunde war er getragen von seinem Glauben. Seine Mitbrüder konnten es einfädeln, dass der sehr junge Delp im Gefängnis seine ewige Profess ablegte. Beim Gang zur Hinrichtung sagte er zum Gefängnispfarrer: „In wenigen Augenblicken weiß ich mehr als Sie.“
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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